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Franziska Giffey, Spitzenkandidatin der Berliner SPD, kommt zu einem Besuch der Tee- und Wärmestube des Diakoniewerks Simeon in Neukölln.

© Bernd von Jutrczenka/dpa

Giffey verliert ihren Doktortitel: Diese Frau will eine Wissenschaftsmetropole regieren?!

Vielen Berlinern mag es egal sein, ob Franziska Giffey einen Doktortitel hat. Warum es trotzdem bedeutend ist, dass sie ihn nun verloren hat. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Tilmann Warnecke

Das ist im zweiten Anlauf ein ziemlich vernichtendes Urteil. An 69 Stellen hat Franziska Giffey in ihrer Doktorarbeit eindeutig gegen gute wissenschaftliche Praxis verstoßen, die Plagiate „prägen“ ihre Arbeit, quantitativ und qualitativ: So der Befund des neuen Prüfgremiums der Freien Universität.

An Deutlichkeit lässt das nichts zu wünschen übrig. Die Rüge für Giffey ist endgültig aufgehoben, ihr Doktortitel definitiv weg – alles andere wäre nicht mehr nachzuvollziehen gewesen.

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Zweieinhalb Jahre hat das Verfahren an der FU gedauert, es kennt nur Verlierer. Die Universität selbst, die sich mit dem Hin und Her blamierte. Die Schwere der Vorwürfe war von Beginn an klar, das Ausmaß wird im neuen Gutachten jetzt auch offenkundig. Umso rätselhafter, dass die FU im ersten Anlauf viel milder urteilte, die Prüfenden damals offenbar kritikwürdige Stellen übersahen. Wie das passieren konnte, wird noch aufzuarbeiten sein.

Dass die Freie Universität das Gutachten öffentlich macht, ist ein später Schritt - aber ein richtiger

In der ganzen Zeit fehlte es von der FU eklatant an Transparenz: Keinen ihrer Schritte hat die Uni öffentlich richtig erklärt. Dass die Uni jetzt erstmals Prüfgutachten von sich aus öffentlich machte, ist ein später Schritt in die richtige Richtung – man kann aber bezweifeln, dass er ausreicht, um den angerichteten Schaden wieder gut zu machen.

Verloren hat auch die Spitzenkandidatin der Berliner SPD. Franziska Giffey hat bestätigt bekommen, dass sie täuschte. Ausgerechnet Giffey, die vor allem mit „Recht und Ordnung“ politisches Kapital aufbaut. Giffey versucht abzulenken. Sie hat die Schwäche der FU instinktiv erkannt und will sich als Opfer einer Uni darstellen, die ihre Kontrollmechanismen nicht im Griff hatte.

Giffey versucht, sich als Opfer darzustellen

Giffey als Opfer? Das ist – bei allen Fehlern der FU und bei allen Fragen, die sich auch die Doktormutter stellen muss - eine relativ dreiste Verdrehung der Tatsachen. Für die wissenschaftliche Wahrhaftigkeit ist eine Doktorandin immer noch selbst verantwortlich. Doktoranden versichern an Eides statt, dass sie redlich arbeiten. Dem Dilemma versuchte Giffey zu entgehen, indem sie ihren Doktortitel nicht mehr führen wollte. Eine beliebte Taktik, die auch Andreas Scheuer erfolgreich angewendet hat. Doch ein Doktortitel ist eben kein Schmuckstück und lässt sich nicht so einfach ablegen. Was sollen eigentlich die vielen ehrlichen Studierenden und Forschenden davon halten?

In der Wissenschaftspolitik war die Berliner SPD erfolgreich - Giffey zerschießt diese Erfolge

Ironischerweise ist ausgerechnet die Wissenschaft eines der wenigen Politikfelder, auf dem die Berliner SPD in der auslaufenden Legislaturperiode wirklich erfolgreich war. Diesen Erfolg hat Giffey mit ihrem Vorgehen quasi gleich mit zerschossen. Es ist kaum vorstellbar, dass sie wie Michael Müller in Personalunion Wissenschaftssenatorin werden könnte.

Wahlentscheidend sein muss das alles nicht, gut möglich, dass das vielen Berlinerinnen und Berlinern egal ist. Dennoch: Giffey will mit Berlin eine Forschungsmetropole regieren, eine Stadt, die auch wirtschaftlich auf wissenschaftlichen Erfolg angewiesen ist. Wie sie das glaubwürdig hinbekommen will, bleibt vorerst ihr Geheimnis.

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