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Ein Deutschlandticket als Chipkarte.

© dpa/Boris Roessler

Drei Monate Deutschlandticket: Zur Verkehrswende ist es noch weit

Der Verkehrsminister und die Bahn loben das D-Ticket in den höchsten Tönen. Doch drei Monate nach dessen Start gibt es berechtigte Zweifel, ob das 49-Euro-Abo tatsächlich die Mobilitätsprobleme löst.

Ein Kommentar von Jana Kugoth

Ein Fahrschein für alle Busse und Bahnen in ganz Deutschland – für 49 Euro: Das ist das Versprechen des Deutschlandtickets. Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) feiert das Angebot drei Monate nach dem Start als Erfolg. Elf Millionen Abos seien bereits verkauft und rund eine Million Neukunden gewonnen worden.

Auch die Bahn ist voll des Lobes. „Im Juni sind 25 Prozent mehr Menschen mit unseren Zügen gefahren als noch im April“, sagte DB-Regio-Chefin Evelyn Palla kürzlich.

Ist dem Bundesverkehrsminister mit dem „D-Ticket“ also ein Coup gelungen? Ist das der Schlüssel zur Mobilitätswende? Abseits des Verkehrsministeriums gibt es zunehmend Zweifel, wie sinnvoll das Ticket in seiner jetzigen Form ist.

Klar ist: Bislang profitieren vor allem Pendlerinnen und Pendler am Rand der Großstädte. Insbesondere jene, die ohnehin schon den ÖPNV für die Fahrt zur Arbeit und zurück genutzt haben, sparen durch das günstige Abo.

Klagen aus den ländlichen Regionen

Wo kein Bus hält und keine Bahn fährt, sind die Verkaufszahlen hingegen gering. Zunehmend gibt es Kritik aus den ländlichen Regionen, man wolle durch die Subventionierung des Deutschlandtickets „den Großstädtern“ nicht ihre Mobilität finanzieren.

Tatsächlich ist die Gefahr real, dass in ländlichen Regionen in Zukunft noch weniger Geld für den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs ankommt. Schließlich fallen in Folge des Deutschlandtickets auf der Einnahmeseite Ticketerlöse weg.

Und auch bei der Umsetzung hakt es. So gibt es nach wie vor offene Fragen, was die Kündigung angeht. Die Umstellung bei Schüler- und Studententickets gestaltet sich schwierig. Und bis heute gelten in den Bundesländern unterschiedliche Regelungen, was beispielsweise die Kosten für die Mitnahme von Fahrrädern betrifft.

Weniger Nutzen für das Klima als erhofft

Hinzu kommt: Der erhoffte Effekt für das Klima durch das Deutschlandticket ist gering. Deutlich weniger als eine Million Tonnen CO₂ im Jahr dürften durch das Ticket jährlich eingespart werden, weil Menschen statt des eigenen Autos den ÖPNV nehmen, vermuten Experten. Im Vergleich zu anderen Maßnahmen ist das wenig. Allein ein Tempolimit auf deutschen Autobahnen würde mit Einsparungen von schätzungsweise mindestens zwei Millionen Tonnen CO₂ im Jahr deutlich mehr bringen.

Und dann ist da noch die ungewisse Zukunft des Angebots. Die Finanzierung ist weiter offen. Bund und Länder streiten darum, wer die Kosten für das Ticket über das laufende Jahr hinaus tragen soll. Zwar haben die Verkehrsminister der Länder mit Volker Wissing vereinbart, dass in den Jahren 2024 und 2025 jeweils drei Milliarden Euro in das Ticket fließen sollen. Die Kosten wollen sich Bund und Länder teilen.

Doch die Sorge ist groß, dass diese Summe nicht reicht. Die Branche rechnet in den kommenden Jahren mit steigenden Ausgaben. Personal und Energie werden teurer, und auch die Einführung und Digitalisierung des Tickets kosten Geld.  

Verkehrsverbünde sehen die Gefahr, dass sie auf den Kosten sitzenbleiben könnten. Ohne eine Einigung mit dem Bund über die Aufteilung der Kosten „sehen die Länder die Fortführung des Deutschlandtickets oder zumindest dessen flächendeckende Anwendung ernsthaft gefährdet“, heißt es in einem Brief von Nordrhein-Westfalens-Verkehrsminister Oliver Krischer (Grüne) an Volker Wissing. Bis Ende Oktober müsse Klarheit herrschen, setzt der Vertreter der Länder dem Verkehrsminister darin ein Ultimatum. Der Streit deutet an: Mittelfristig wird der Preis von 49 Euro für das Deutschlandticket nicht zu halten sein, sondern steigen. 

Geringe Klimawirkung, vergleichsweise wenige profitieren, unklare Finanzierung: Das alles stellt die Zukunft des Tickets in seiner jetzigen Form infrage. Wie soll es weitergehen? Richtig ist: Um die Mobilitätswende zu meistern, führt kein Weg daran vorbei, dass die Menschen in Zukunft den eigenen Pkw häufiger stehen lassen und auf Busse und Bahnen umsteigen. Ein einfacher Tarif, mehr Digitalisierung und mehr Öffentlichkeit für Bus und Bahn helfen dabei. In diesen Punkten hat das Deutschlandticket Fortschritte gebracht.

Die Bilanz nach drei Monaten zeigt aber auch: Es gibt noch viele Baustellen. Die grundlegenden Probleme des Systems ÖPNV kann das Ticket allein nicht lösen. Statt jedes Jahr wieder um die Finanzierung des Deutschlandtickets zu pokern und sich gegenseitig die Verantwortung zuzuschieben, müssen Bund und Länder schnell grundlegende Reformen auf den Weg bringen.

Dazu gehört auch, offen zu diskutieren, ob ein Einheitsticket für 49 Euro monatlich am Ende der beste Weg ist, um mehr Menschen für Busse und Bahnen zu begeistern.  

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