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Wie lange steigt noch Wasserdampf aus dem Kühlturm vom Atomkraftwerk Isar 2 auf?

© Armin Weigel/dpa

Drei Monate längere Laufzeit: FDP will AKW-Streckbetriebe bis Frühjahr 2023

Um die Energie- und Wärmeversorgung im Winter sicherzustellen, will die FDP die Atomkraft minimal verlängern. Prinzipiell ist das möglich, sagt eine Expertin.

Seit elf Jahren scheint ihr Ende besiegelt. Doch Totgesagte leben bekanntlich länger. Fünf Monate vor dem endgültigen Abschalten der letzten drei deutschen Atomkraftwerke - Isar 2 (Bayern) , Emsland (Niedersachsen) und Neckarwestheim 2 (Baden-Württemberg) - spaltet die Frage nach einem temporären Weiterbetrieb die Ampel-Koalition.

Nach den Drosselungen der Gas-Lieferungen aus Russland fordert Johannes Vogel, parlamentarischer Geschäftsführer der FDP-Fraktion im Bundestag, die letzten drei Meiler drei Monate länger in Betrieb zu lassen. "Ich halte es für absolut notwendig, dass alle Register gezogen werden", sagte er am Dienstag in Berlin.

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Um die Energieversorgung im Winter sicherzustellen, forderte der Liberale ein "Winterpaket". Damit müsse sichergestellt werden, dass die Gas-Einkäufe auf dem Weltmarkt hochgefahren werden und es marktwirtschaftliche Anreize zum Energiesparen gibt. Und auch die Atomkraftwerke sollen in einem "Winterpaket" bedacht werden. "Die Streckung der Kernkraftwerke über die Wintermonate muss dazugehören", sagte Vogel. Dafür müssten nicht extra Brennstäbe geordert werden, deren Lieferung teils mehrere Monate benötigt.

Doch ist eine Streckung technisch überhaupt möglich? Friederike Frieß, die an der Universität für Bodenkulturen in Wien zu Reaktorsicherheit arbeitet, schließt das am Telefon per se nicht aus. Man könne Atomkraftwerke bedingt drosseln. "Wenn man die Kernkraftwerke mit geringerer Leistung fährt, könnte man sie etwas länger am Netz lassen. Ob das möglich ist, hängt vom Zustand der Brennelemente ab, wie hoch der Abbrand ist." Je mehr die Brennstäbe bereits abgebrannt sind, desto weniger Spielraum haben die Betreiber.

"Eigentlich bräuchte man dann neue Genehmigungen"

Doch Frieß hat noch weitere Bedenken. Nach dem Reaktorunfall in Fukushima waren in der gesamten EU Stresstests bei allen Anlagen durchgeführt worden. Auch an den deutschen Meilern waren Mängel festgestellt worden, die aber nicht behoben wurden, weil sie ja zeitnah vom Netz gehen sollten. "Wenn die Atomkraftwerke jetzt länger laufen sollen, müssten eigentlich neue Genehmigungen erteilt werden", sagt die Wissenschaftlerin.

Johannes Vogel möchte Kinder im Bundestags-Plenum erlauben.
Johannes Vogel möchte Kinder im Bundestags-Plenum erlauben.

© picture alliance/dpa

Tatsächlich scheint ein Streckbetrieb der deutschen Atomkraftwerke möglich, wie ein Sprecher des Umweltministeriums dem Tagesspiegel bestätigt. Im Prüfvermerk vom März, den Umweltministerium und Wirtschaftsministerium im Auftrag gegeben hätten, sei diese Option geprüft worden.

Dort heißt es: "Durch kontinuierliche Absenkung der Kühlmitteltemperatur und der Leistung oder durch Abschaltung der Atomkraftwerke im Sommer 2022 könnte der Betrieb der Atomkraftwerke mit den aktuell in den Kraftwerken befindlichen Brennelementen für eine gewisse Zeit (bis zu circa 80 Tagen) fortgesetzt werden." Doch Kosten und Risiken seien sehr hoch, der Nutzen gering - so die Einschätzung im Umweltministerium.

Auch die Betreiber der Atomkraftwerke äußern sich eher skeptisch: "Die EnBW hat nach dem Ausstiegsbeschluss im Jahr 2011 eine langfristige Strategie für den Rückbau ihrer Kernkraftwerke ausgearbeitet, die sie seither konsequent umsetzt", teilt ein Sprecher von EnBW, die den Meiler in Neckarwestheim betreiben, dem Tagesspiegel mit. Den konkreten Vorschlag der FDP will er mit Blick auf den Ausstiegsbeschluss nicht kommentieren: "Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass sich jegliche hypothetischen Fragen vor diesem Hintergrund für uns nicht stellen."

Besonders scharf wiesen die Grünen die Forderung des Koalitionspartners zurück: "Aus meiner Sicht brauchen wir zum jetzigen Zeitpunkt keine Scheindebatte über Atomkraftwerke", sagte die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Britta Haßelmann am Dienstag in Berlin.

Die Sicherheitsbedenken könnten nicht ausgeräumt werden, es gebe keine Lösung bei der Endlagerfrage und auch die Situation in Frankreich, wo momentan die Hälfte aller Atomkraftwerke abgeschaltet sei, zeige die Unsicherheit der Atomkraft. "Das brauchen wir nun wirklich nicht", sagte Haßelmann. Bereits an diesem Mittwoch wird sie sich damit aber wohl erneut beschäftigen müssen - dann treffen sich die Ampel-Spitzen zum Koalitionsausschuss.

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