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Polens nationalkonservative Opposition triumphiert: Ihr Kandidat Andrzej Duda hat die Präsidenten-Stichwahl für sich entschieden.

© imago/Eastnews

Duda gewinnt Präsidentenwahl in Polen: Ruck nach rechts

Das offizielle Ergebnis der Präsidenten-Stichwahl in Polen wird voraussichtlich am späten Montagabend bekannt gegeben. Doch die Prognosen scheinen klar: Wahlsieger ist der nationalkonservative Herausforderer Andrzej Duda. Das wird auch für das Verhältnis der Polen zu Deutschland Konsequenzen haben. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Christoph von Marschall

Die deutsch-polnischen Beziehungen stehen vor unruhigen Zeiten. Die Persönlichkeiten aus dem liberalbürgerlichen Lager der Bürgerplattform (PO), die auf polnischer Seite für die fruchtbare Zusammenarbeit der letzten Jahre standen, verlassen die politische Bühne in Warschau. Am Sonntag verlor Präsident Bronislaw Komorowski die Wahl gegen den um eine Generation jüngeren Andrzej Duda von der nationalkonservativen Partei PiS.

Angesichts der überraschend deutlichen neuen Dynamik wird die PO wohl im Herbst bei der Parlamentswahl auch die Regierungsmehrheit verlieren. Ihr langjähriger Premier Donald Tusk war vergangenes Jahr nach Brüssel gewechselt an die Sitze des Europäischen Rats. Die Hoffnung, dass eine Frau als Nachfolgerin, Ewa Kopacz, frischen Wind entfacht, hielt nur wenige Monate. So verfestigte sich der Eindruck, dass die PO nach acht Jahren an der Macht verbraucht sei.

Die Bürgerplattform PO wirkte verbraucht

Das ist der wahre Grund für Komorowskis Niederlage. Am Verlauf seiner persönlichen Umfragewerte hatte sie sich nicht ablesen lassen. Die waren bis zur ersten Wahlrunde vor zwei Wochen gar nicht so schlecht. Der Präsident bekam den Denkzettel für ein Unbehagen, das eigentlich der Regierung gilt. Und da es in Polen schon seit Jahren keine Partei links der Mitte gibt, die eine Chance auf den Wahlsieg hätte – die Sozialisten haben sich von ihrer letzten korruptionsbelasteten Regierungszeit auch nach einem Jahrzehnt noch nicht erholt –, bleibt als Alternative nur das rechte Lager, die PiS.

Wofür der neue Präsident Andrzej Duda steht, ist ungewiss. Der Wahlkampf hat inhaltlich wenig offenbart. Da dominierten populistische und unrealistische Wahlversprechen wie die Senkung des Rentenalters und andere soziale Wohltaten. Deshalb orientieren sich die Erwartungen an früheren Erfahrungen mit der PiS. Die Jahre, in denen sie bereits einmal Polens Präsidenten und Regierungschef stellte – in Gestalt der Zwillinge Lech und Jaroslaw Kaczynski -, gehören für das deutsch-polnische Verhältnis zu den weniger erfreulichen in dem Vierteljahrhundert seit der demokratischen Wende. Die PiS erlag immer mal wieder der Versuchung, mit antideutschen – und antieuropäischen – Parolen Stimmung zu machen. In Brüssel trat Polen damals oft als Bremser auf. Erst als die PiS die Macht verlor, verbesserten sich die Beziehungen zu Deutschland und zur EU. Unter Premier Donald Tusk und Präsident Bronislaw Komorowski wurde Polen ein konstruktiver Partner in Europa.

Die Frage wird sein, wieviel Kaczynski in Duda steckt

Droht nun ein Rückfall in die alten unerfreulichen Muster? Bis heute ist Lechs Zwillingsbruder Jaroslaw Kaczynski die graue Eminenz in der PiS. Das hängt nun vor allem vom Überraschungssieger Andrzej Duda ab. Wie viel Kaczynski steckt in ihm? Hat er eine eigene Vorstellung von Polens Zukunft, von der Partnerschaft mit Deutschland, Polens Rolle in Europa – gerade jetzt, wo der Krieg im direkten Nachbarland Ukraine alle diese Beziehungen auf eine harte Probe stellt?

Andrzej Duda gehört einer anderen Generation an

Dass Duda vergleichsweise jung ist und sich in seiner kurzen politischen Karriere noch kein erkennbares außenpolitisches Profil gewonnen hat, kann man als Manko beschreiben – oder als Chance. Er ist nicht festgelegt auf die Weltsicht der Kaczynskis, die das Gewicht eines eigenständigen Nationalstaats im zusammenwachsenden Europa überschätzten, ihre angesichts der belasteten Geschichte durchaus verständlichen antirussischen und antideutschen Reflexe nie ganz ablegen konnten und den Nutzen, der sich aus einer vertrauensvollen Zusammenarbeit gerade mit Deutschland ergibt, nicht voll erfassten.

Duda gehört einer anderen Generation an, die geprägt ist von den Chancen und dem unbestreitbaren Erfolg, die sich aus Polens neuer Lage in einem freien Europa ergeben. Als Mitglied des Europäischen Parlaments ist er Teil dieser neuen Welt. Es ist an ihm zu beweisen, dass die Partnerschaft mit Deutschland und mit Europa nicht leiden muss, wenn ein konservativer Patriot an die Spitze eines selbstbewussten Polen tritt.

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