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Ehegattensplitting auch für Homo-Ehe: Bundesverfassungsgericht entscheidet: Vor der Steuer sind alle gleich

Karlsruhe hat entschieden: Das Ehegattensplitting muss auch für eingetragene Lebenspartnerschaften gelten. Doch was bedeutet das Urteil des Bundesverfassungsgerichts?

Die Partner in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft müssen künftig genauso wie andere Ehepartner vom Splitting bei der Einkommensteuer profitieren können – sie sind damit im Steuerrecht mit Eheleuten völlig gleichgestellt. Das hat das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe am Donnerstag entschieden.

Wie begründen die Karlsruher Verfassungsrichter ihre Entscheidung?

Der Zweite Senat stellt fest, dass es für die steuerliche Ungleichbehandlung homosexueller Lebenspartnerschaften gegenüber Ehepaaren keine gewichtigen Sachgründe gibt. Eingetragene Lebens- wie auch Ehepartner bildeten eine auf Dauer angelegte Verantwortungsgemeinschaft. Beide müssen füreinander Unterhalt bezahlen und bei Trennung beziehungsweise Scheidung werden die Rentenansprüche und das in der gemeinsamen Zeit erworbene Vermögen geteilt. Wenn man dennoch Ehen und Lebenspartnerschaften bei der Besteuerung ungleich behandle, werde nach der sexuellen Orientierung differenziert. Das stelle eine Diskriminierung dar.

Aber stellt das Grundgesetz nicht nur Ehen und Familien unter „besonderen Schutz“?

Dieser in Artikel 6 festgeschriebene besondere Schutz der Ehe genügt laut Karlsruhe nicht, um die Ungleichbehandlung von Homo-Ehen zu rechtfertigen. Vielmehr solle damit die Ehe besser gestellt werden als eine Lebensgemeinschaft mit geringeren Pflichten – zum Beispiel unverheiratet zusammenlebende Paare. Die Homo-Ehe sei aber gerade eine rechtlich verbindliche Lebensform.

Ist das Ehegattensplitting nicht für Eheleute mit Kindern gedacht, in denen ein Partner den Beruf aufgibt?

Nein. Das Ehegattensplitting hat seit seiner Einführung 1958 immer nur an den Trauschein, nie an Kinder angeknüpft. Zwar gab es damals deutlich weniger kinderlose Ehen, aber Kinder waren nie eine Bedingung, um den Steuervorteil zu erhalten. Nach den im Urteil genannten neuesten Zahlen erhält der Staat durch das Ehegattensplitting rund 19 Milliarden Euro weniger Steuern. Davon gehen 1,7 Milliarden an kinderlose Paare, Tendenz steigend. Dass Homosexuelle keine gemeinsamen Kinder bekommen – gemeinsame Adoptionen sind inzwischen allerdings zulässig –, ist also kein Grund für den Ausschluss vom Splittingvorteil. Der Zweite Senat betont übrigens, dass auch in homosexuellen Lebenspartnerschaften zunehmend Kinder – meist aus früheren heterosexuellen Partnerschaften - aufwachsen.

Was kostet der Karlsruher Beschluss?

Was heißt das Urteil für die Betroffenen?

Die knapp 34 000 Lebenspartnerschaften in Deutschland können ab sofort Ehegattensplitting beanspruchen. Auch rückwirkend bis zum Jahr 2001 muss das Gesetz geändert werden. Die Homo-Ehe gibt es seit 2001. Eingetragene Paare, die beim Finanzamt Einspruch gegen die Ungleichbehandlung eingelegt hatten, können rückwirkend den Splittingvorteil fordern. Wurde der Einkommensteuerbescheid mangels Widerspruch rechtskräftig, besteht kein Anspruch auf Rückerstattung.

Wie zahlt sich der Splitting-Vorteil aus?

Die Steuerersparnis ist umso größer, je größer der Einkommensunterschied der Partner ist. Denn beim Splitting werden zunächst beide Einkommen zusammengerechnet und dann halbiert. Verdient einer 20 000 und der andere 40 000 Euro im Jahr, wird rechnerisch so getan, als hätte jeder 30 000 Euro. Auf diesen Anteil wird dann die Steuer berechnet und wieder verdoppelt. Diese Berechnung senkt die Steuer, denn je höher das Einkommen, umso höher der Steuersatz. Am höchsten ist der Splittingvorteil bei Einverdiener-Paaren. Nach dem obigen Beispiel würde hier jeder Partner so behandelt, als würde er 20 000 Euro im Jahr verdienen – die Steuer wäre mit insgesamt 5700 Euro für das Paar gering. Ohne Splitting gilt bei 40 000 Euro Jahreseinkommen eine Steuer von rund 9500 Euro.

Reißt der Karlsruher Beschluss ein Loch in den Bundeshaushalt?

Damit ist nicht zu rechnen. Zum einen ist die Zahl der eingetragenen Lebenspartnerschaften mit knapp 34 000 nicht sehr hoch. Außerdem sind bei den 13 600 lesbischen und 20 400 schwulen Paaren meist beide Partner berufstätig. Der Splittingvorteil fällt dann aber wesentlich geringer aus als bei den sogenannten Hausfrauen-Ehen. Auch das Bundesfinanzministerium hat in seiner Stellungnahme an das Bundesverfassungsgericht keine finanziellen Argumente angeführt.

Ist die Entscheidung einstimmig gefallen?

Nein, zwei Richter haben nicht nur dagegen gestimmt, sondern auch ein Sondervotum abgegeben. Genauer gesagt sind es die Verfassungsrichterin Sibylle Kessal-Wulf und Verfassungsrichter Herbert Landau. Allerdings üben auch sie keine Fundamentalkritik an der Mehrheitsentscheidung. Sie führen aus, dass die Homo-Ehe bei ihrer Einführung 2001 bis 2005 mit deutlich weniger gegenseitigen Rechten und Pflichten ausgestattet war als Ehen. Deshalb sei bis 2005 die Ungleichbehandlung bei der Besteuerung gerechtfertigt und nicht verfassungswidrig gewesen. Ob danach der Ausschluss vom Splitting noch gerechtfertigt war, lässt das Sondervotum aber offen.

Die Grünen und Teile der SPD wollen das Ehegattensplitting abschaffen, weil es die Hausfrauen-Ehe begünstigt. Ist es nicht ein Widerspruch, dass jetzt beide die Karlsruher Entscheidung begrüßen?

Nicht ganz. Denn solange das Ehegattensplitting gilt, war der Ausschluss homosexueller Lebenspartnerschaften diskriminierend. Jetzt müssten die Oppositionsparteien allerdings für eine Umgestaltung zu einer Familienförderung eintreten – letztlich also für eine Abschaffung des Splittings in der jetzigen Form.

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