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Da war noch Zuversicht in der Welt - und der angehenden Koalition.

© Foto: Michael Kappeler/dpa

Ein Jahr nach dem Koalitionsvertrag: Die Bilanz der Ampel stimmt

Am 24. November 2021 kamen Rot, Grün und Gelb zusammen. Wenig später: Krieg und Krise. Der Kanzler ist mit dem Kurs zufrieden. Das darf er auch sein.

Eine Kolumne von Stephan-Andreas Casdorff

Ein Jahr Ampel, und keiner ist’s zufrieden? Doch, einer: der Kanzler, Olaf Scholz. Und, hat er unrecht? Schönt er die Lage? Ist er nur zufrieden, weil er notorisch mit sich selbst zufrieden ist? Dreimal nein. Die Bilanz von Rot, Grün und Gelb ist schon so gut.

Gerechtigkeit für die Ampel: Am 24. November 2021 legten SPD, Grüne und FDP im Berliner Westhafen ihr Koalitionsprogramm vor, ambitioniert mit „Mehr Fortschritt wagen“ überschrieben. Dann kam der russische Angriff auf die Ukraine, und vom 24. Februar an war alles anders. Nicht für die ganze Welt, aber für Deutschland.

Die Koalitionäre mussten ihre 144 Seiten zur Seite legen. Denn in der Krise gibt es keinen Masterplan, außer dem, sie zu meistern. Das ist die Ambition dieser Tage, vom ersten Tag an. Und Fortschritte sind sichtbar.

Wie sagt Olaf Scholz, wenn er sich dazu äußern soll? „Die Kommunikation der Regierung erfolgt durch Taten.“ Und in der Tat, von außen bis innen: Zwölf Monate nach dem Koalitionsvertrag wird die Ukraine ohne Unterlass unterstützt, sind zugleich Ampelkoalitionäre unablässig als Emissäre international unterwegs. So viel Geschlossenheit des Westens war lange nicht.

Im Inneren sind die Gasspeicher zu 100 Prozent gefüllt, 20 Kohlekraftwerke produzieren Strom, drei Atomkraftwerke laufen über den Winter bis April 2023, das erste deutsche Flüssiggasterminal ist eingerichtet, dazu sichern etliche Gesetze den Aus- und Aufbau der erneuerbaren Energien und der Infrastruktur, auch im Straßenbau.

Hinzu kommen Gesetzesvorhaben, die das alles noch beschleunigen. Darüber hinaus ist das „Sondervermögen“ von 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr verabschiedet, außerdem gibt es vier große Hilfsprogramme für Bürger:innen und Unternehmen gegen die hohen Energiepreise im Wert von 300 Milliarden Euro. Auch zur Förderung der Wirtschaft ist noch einiges in der Pipeline.

Es ist viel. Und es ist viel Zumutung für die drei Koalitionspartner dabei

Arbeitsminister Hubertus Heil hat die Erhöhung des Mindestlohns auf zwölf Euro durchgebracht, und das Bürgergeld, das Hartz IV ablöst, kommt auch, mit der Union gemeinsam verabschiedet. Alles, als wäre es nichts

Es ist viel. Und es ist viel Zumutung für die drei Koalitionspartner dabei. Vor zwölf Monaten hätten die Grünen sich nicht vorstellen können, dass ein grüner Wirtschafts- und Klimaminister in Katar beim Emir Zugang zu neuen Gasquellen für Deutschland erbittet.

Oder die Freidemokraten, dass ihr Parteichef als Finanzminister nicht mehr auf der Schuldenbremse steht, sondern im Bundestag um Kreditermächtigungen von einer halben Billion Euro nachsucht. Und die SPD, dass ihr Bundeskanzler ohne große Diskussion den Etat der Bundeswehr in einer Weise aufstockt, die die Partei zu anderen Zeiten zu wütendem Protest getrieben hätte.

Auch der Ausblick auf 2023 lässt sich sehen

Professioneller, geräuschloser und harmonischer als die vorangegangene große Koalition will die Ampel regieren. Professionell ist sie, durchaus öfter, geräuschlos und harmonisch längst nicht immer. Die Belastungen lasten auch auf der Stimmung. Noch nicht ganz so, dass der Vorrat an Gemeinsamkeiten, der Koalitionen erhält, aufgebraucht wäre. Aber wehe, Eitelkeiten nehmen überhand.

Scholz will Lösungen – er bekommt sie. Streit über die Gasumlage zur Rettung des Gasimporteurs Uniper? Abgeräumt. Streit um die Verlängerung der Laufzeit von Atomkraftwerken? Abgeräumt. Streit um die Staatsfinanzen? Abgeräumt. Nicht immer geräuschlos, aber unterm Strich effektiv. Zu Harmonie kann nur das Erreichte führen.

Auch der Ausblick auf 2023 lässt sich sehen. Der Ampel kann es gelingen, die Schuldenbremse wieder einzuhalten und dem Weltthema Klima endlich in bisher nicht gekannter Weise Klima Rechnung zu tragen. Sogar für Aktionsprogramme wie das zum „Natürlichen Klimaschutz“ werden bis 2026 rund vier Milliarden Euro bereitgestellt. Das haben nicht einmal Naturschützer zu hoffen gewagt.

Es ist das erste Jahr. In dem ist sogar über die Idee eines Neun-Euro-Tickets ein „Deutschlandticket“ entstanden: für 49 Euro im Monat im Personennahverkehr durchs ganze Land.

Summa summarum: Ein Jahr Ampel – viele könnten zufrieden sein. Und, seien wir gerecht: Es ist nicht aller Tage Abend. Drei Jahre, gut 1000 Tage, haben Rot, Grün und Gelb noch. Nur mit den Sticheleien und Anfeindungen untereinander dürfen sie dann so nicht weitermachen.

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