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Mehr Honorar für Mediziner: Ein Plus von 1800 Euro reicht den Ärzten nicht

Ihre Vorstellungen lagen um 5,7 Milliarden Euro auseinander. Entsprechend war das Kampfgetöse, unter dem sich die Vertreter der niedergelassenen Ärzte und der Krankenkassen am Donnerstag morgen an den Verhandlungstisch setzten.

Ihre Vorstellungen lagen um 5,7 Milliarden Euro auseinander. Entsprechend war das Kampfgetöse, unter dem sich die Vertreter der niedergelassenen Ärzte und der Krankenkassen am Donnerstag morgen an den Verhandlungstisch setzten. Die Mediziner forderten 3,5 Milliarden Euro mehr an Honorar, die Versicherer dagegen wollten es ihnen um 2,2 Milliarden kürzen. Heraus kam ein Kompromiss: Für die rund 150 000 praktizierenden Ärzte und Psychotherapeuten soll es im kommenden Jahr nun 270 Millionen Euro mehr geben. Das entspreche im Schnitt einem Plus von 1800 Euro für jeden Mediziner im Jahr, teilte der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherung mit. Hinzu kämen weitere Steigerungen durch die Berücksichtigung der wachsenden Krankheitslast der Bevölkerung sowie Zuschläge in einzelnen Ländern.

Dass sich die erhitzten Gemüter dank dieses Beschlusses schnell wieder abkühlen werden, ist jedoch nicht zu erwarten. In einer ersten Reaktion äußerten sich lediglich die Krankenkassen zufrieden mit dem Ergebnis. Der stellvertretende Vorsitzende ihres Spitzenverbandes, Johann- Magnus von Stackelberg, sprach von einer „vernünftigen Lösung“. Die Ärzte dagegen haderten damit, dass sie überstimmt worden seien. Ausschlaggebend sei das Votum des unabhängigen Schlichters, des Essener Gesundheitsökonomen Jürgen Wasem, gewesen, erklärte der Sprecher der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Roland Stahl. Er prognostizierte, dass der beschlossene Honorarzuwachs den Zorn der Mediziner wohl „nicht besänftigen“ werde.

Dass er recht hatte, zeigte sich in der Reaktion des Hartmannbundes. Dessen Vorsitzender Klaus Reinhardt nannte die vorgesehene Erhöhung des Punktwertes für ärztliche Leistungen um 0,9 Prozent einen „unannehmbaren Affront gegenüber der ärztlichen Leistungsbereitschaft“. Es gehe nun darum, unverzüglich und geschlossen „ein Zeichen gegen dieses Diktat der Kassen“ zu setzen. Vor dem Treffen hatten ärztliche Berufsverbände bereits mit Protesten und Praxisschließungen gedroht, und KBV-Chef Andreas Köhler hatte die Stimmung als „hochexplosiv“ bezeichnet. Am Samstag beraten Ärztevertreter aus ganz Deutschland in einer Sonderversammlung über die Ergebnisse .

Um den Druck zu verstärken, hatten die Kassen per Gutachten nachzuweisen versucht, dass die Einnahmen der Praxisärzte seit 2008 weit stärker gestiegen sind als ihre Kosten. Der Studie zufolge lagen die Zuwächse seither bei 3,2 Milliarden – von denen den Medizinern im Einnahmen-Ausgaben-Vergleich unterm Strich 2,2 Milliarden blieben. Die Ärzte konterten mit weit niedrigeren Zahlen und warfen den Kassen vor, die Preise von den Leistungsmengen abhängig machen zu wollen – was gesetzeswidrig sei.

Politiker schlugen sich auf die Seite der Ärzte. Der CDU-Experte Jens Spahn warf den Kassen eine „Kampagne“ und inakzeptable Rhetorik vor. „Das vergiftet dauerhaft das Klima zwischen Ärzten und Kassen“, warnte er. Der FDP-Politiker Lars Lindemann hatte zuvor bereits von einer „flächendeckenden Demotivierung der Ärzte“ gesprochen und den Kassen vorgeworfen, den politischen Willen zu konterkarieren. Rainer Woratschka

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