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Immer wieder schön, der Hafen von Saint Tropez

© picture alliance / dpa

Ein Zwischenruf zum Neid: Friede den Palästen!

In den Ferien darf man sein, wer man ist – und die anderen sind es auch. Nur hier begegnen sich Arm, Mittelarm, Mittelreich und Reich direkt und unverkleidet, friedfertig und in Badelatschen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Ursula Weidenfeld

Tausende Besucher ziehen jeden Tag im Sommer durch den Hafen des französischen Fischerdorfs St. Tropez. Sie betrachten die Jachten der Reichen, Superreichen und Supersuperreichen. Sie bestaunen die blitzsauberen Decks, bewundern die coolen Crews in ihren blütenweißen Uniformen, beobachten die Bewohner der Schiffe beim Frühstücken und Abendessen.

Die Reichen und Superreichen selbst sitzen auf den Booten und fühlen sich von dem Trubel kein bisschen gestört. Im Gegenteil, sie genießen ihn: Endlich einmal dürfen sie zeigen, wie es bei Reichen und Superreichen so zugeht. Sie lassen sich von der Stewardess ein Eishörnchen (Vanille, Mango Sorbet) an Bord bringen, empfangen den Hundefriseur (der dem Berner Sennenhund der Kinder einen sommerlichen Kurzhaarlook mit Monogramm verpasst), schlürfen ein paar Austern (Bélon), die zuvor in einem Kühlwagen (Renault) angeliefert wurden. „Betreten verboten“ steht zwar vor der Reling, aber das heißt auch: „Betrachten sehr gern erlaubt“.

Im normalen deutschen Alltag versucht man tunlichst, seinen Reichtum zu verbergen. Man gibt nicht an. Man fährt im Mittelklassewagen zur Bank, und man feilscht mit der Putzfrau um Abschläge vom Mindestlohn. In den Ferien aber, da ist das Leben ein anderes. Da darf man sein, wer man ist – und die anderen sind es auch. Nur hier begegnen sich Arm, Mittelarm, Mittelreich und Reich direkt und unverkleidet. Sie bestaunen einander als Wesen einer anderen Galaxis: neugierig, friedfertig, in Badelatschen.

Vor allem die Deutschen freuen sich am süßen und lauten Leben des Südens. Wer das ganze Jahr als fleißiger Blödmann Europas ackert, will einmal zeigen dürfen, wohin ehrliche Arbeit einen bringt. Und zwar, ohne eine Debatte über Verteilungsgerechtigkeit führen zu müssen.

Nur eines wird auch hier übel genommen: Wenn einer – wie Wladimir Putins Pressesprecher Dmtri Peskow – eine Luxusjacht für 400 000 Euro in der Woche in Italien chartert, damit durchs Mittelmeer schippert und dann behauptet, man sei nur am Hafen gewesen, um mal zu schauen, wie die Reichen so leben in den Ferien. Das geht gar nicht.

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