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England: Neue Generation der Gewalt

Jugendgangs in England werden immer brutaler. Sie schlagen ohne Hemmungen zu oder suchen sich Schusswaffen, mit denen sie auf andere Jugendliche losgehen. Die britische Innenministerin will nun verstärkt gegen die Kriminalität vorgehen.

Gewalttätige Jugendgangs halten Großbritannien in Atem. Allein in der Hauptstadt London sind in diesem Jahr 15 Jugendliche durch gleichaltrige Gewalttäter getötet worden. Nachdem am Samstag ein 18-jähriger Nachwuchsschauspieler erstochen worden ist, fand die Polizei am Sonntagabend in einem Londoner Park die Leiche eines 16-Jährigen. Verdächtigt wird eine Jugendgang, hieß es. In der Metropole sind nach Polizeiangaben mehr als 170 Jugendgangs aktiv, 2007 starben 26 Teenager bei Übergriffen, neun davon wurden erschossen.

Das Londoner „Centre for Crime and Justice Studies“ hat ermittelt, dass in Großbritannien alle acht Minuten ein Verbrechen mit einem Messer begangen werde: Täglich würden 175 Menschen mit einer Stichwaffe beraubt. Die Chance, Opfer eines Überfalls zu werden, sei die höchste der Europäischen Union. Bei insgesamt knapp 600 landesweiten Übergriffen junger Täter im Jahr 2007 sind die Opfer zum Teil schwer verletzt worden.

Nachdem die Verbrechensbekämpfung in den vergangenen Jahren intensiviert worden ist, habe man es nun mit einer neuen Generation von Gewalttätern zu tun, heißt es von der Polizeigewerkschaft: Jungen zwischen 14 und 19 Jahren, die mit Messern bewaffnet sind und Zugang zu Schusswaffen suchen. Diese Täter ließen sich auch nicht davon abschrecken, dass auf illegalen Schusswaffenbesitz fünf Jahre Gefängnis stehen. Jugendrichter bemängelten allerdings, dass längst nicht jeder jugendliche Waffenträger vor Gericht lande.

„Viele der Gangmitglieder denken, sie sind in einem Mafiafilm“, sagte Harry Fletcher vom Verband der Bewährungshelfer dem Tagesspiegel. „Sie können Fantasie und Realität nicht mehr auseinander halten.“ Die Jugendlichen in den sozial schwachen Außenbezirken von London und Manchester würden auf Gleichaltrige aus den Nachbarvierteln losgehen. „Sie verteidigen ihr Revier anhand von Postleitzahlen“, sagte Fletcher.

Die britische Innenministerin Jacqui Smith rüstet nun auf: Mehr als sieben Millionen Euro will die Labor-Politikerin zur Bekämpfung gewalttätiger Jugendgangs einsetzen. Als Smith letztes Jahr ihr Amt antrat, hatte sie eingeräumt, dass sie nachts inzwischen auch einige Straßen besserer Wohnviertel Londons meide. Der erst kürzlich ins Amt gewählte konservative Londoner Bürgermeister Boris Johnson hat der Hauptstadt derweil mehr Polizisten für Busse und Bahnen versprochen. An U-Bahnhöfen und Schulen sollen außerdem Metalldetektoren eingesetzt werden, um bewaffneten Gangs das Handwerk zu legen.

Nirgendwo in Westeuropa, sagen Sozialwissenschaftler, müssten so viele Kinder in nicht intakten Familien aufwachsen wie auf der Insel. Die Zahl der alleinerziehenden Mütter und das Armutsrisiko für Kinder seien im Vergleich zu Deutschland doppelt so hoch. Anders als in der Bundesrepublik, wo die meisten Gefangenen älter als 18 Jahre sind, sitzen in britischen Anstalten 3000 Jugendliche unter 16 Jahren ein.

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