zum Hauptinhalt
Bundesagrarminister Cem Özdemir unterhält sich am 15.07.2022 in Eberstadt (Baden-Württemberg) mit Joachim Rukwied, dem Präsidenten des Deutschen Bauernverbands.

© Bernd Weißbrod/dpa

Entscheidung „in letzter Minute“: Özdemir ermöglicht Getreideanbau auf mehr Flächen

Um mehr Flächen für den Getreideanbau nutzen zu können, setzt Özdemir eine EU-Regelungen aus. Die ab 2023 greifende Vorgabe soll dem Artenschutz dienen.

Landwirte in Deutschland können angesichts angespannter internationaler Agrarmärkte infolge des Ukraine-Kriegs mehr Flächen zum Getreideanbau nutzen. Dazu sollen die EU-Neuregelungen zu Flächenstilllegung und Fruchtwechsel einmalig ausgesetzt werden. Das sieht ein Kompromissvorschlag von Agrarminister Cem Özdemir (Grüne) vor.

Der Bauernverband begrüßte den Schritt und betonte am Samstag, der Vorschlag komme in letzter Minute. Zustimmung kam auch aus den Ländern sowie von der FDP.

[Wenn Sie aktuelle Nachrichten aus Berlin, Deutschland und der Welt live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]

Özdemir will Bauern und Bäuerinnen ermöglichen, Agrarflächen für den Anbau bestimmter Pflanzen zur Nahrungsmittelproduktion länger zu nutzen. So sollen die eigentlich geplanten zusätzlichen Artenschutzflächen erst 2024 eingeführt werden. Bauern könnten dann im kommenden Jahr auf diesen Flächen weiter Nahrungsmittel anbauen.

Hintergrund sind ab 2023 greifende EU-Vorgaben, wonach ein Teil der Landwirtschaftsflächen dem Artenschutz dienen und zudem der Anbau derselben Ackerpflanze zwei Jahre in Folge auf derselben Fläche zum Bodenschutz grundsätzlich nicht mehr möglich sein soll. Die Umsetzung der Vorgaben hatte Brüssel aber den jeweiligen EU-Staaten überlassen.

Özdemir hat nun den Bundesländern seinen Vorschlag zur Umsetzung der Kommissionsentscheidung unterbreitet, der ein Aussetzen von Fruchtwechsel und Flächenstilllegung vorsieht. Er braucht den Angaben zufolge die Zustimmung der Länder.

Anbaufläche für Getreide, Sonnenblumen und Hülsenfrüchte

Nach Ministeriumsangaben soll die erstmalige verpflichtende Flächenstilllegung im kommenden Jahr einmalig ausgesetzt werden.

Stattdessen solle weiter ein landwirtschaftlicher Anbau möglich sein, „allerdings im Sinne der Ziele des Kommissionsvorschlags eingeschränkt auf die Produktion von Nahrungsmitteln, daher auf die Kulturen Getreide (ohne Mais), Sonnenblumen und Hülsenfrüchte (ohne Soja)“, hieß es.

Artenvielfaltsflächen auch „weiterhin geschützt“

Das gelte nur für die Flächen, die nicht bereits 2021 und 2022 als brachliegendes Ackerland ausgewiesen gewesen seien: „Die bestehenden Artenvielfaltsflächen werden dadurch weiterhin geschützt und können ihre Leistung für Natur- und Artenschutz sowie eine nachhaltige Landwirtschaft erbringen.“

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Zudem ist die EU den Angaben zufolge Özdemirs Vorschlag gefolgt und lässt eine Ausnahme beim Fruchtfolgenwechsel zu. Die entsprechende Regelung werde 2023 einmalig ausgesetzt. So könnten Landwirte in Deutschland auf etwa 380.000 Hektar ausnahmsweise Weizen nach Weizen anbauen.

Nach wissenschaftlichen Berechnungen könnten damit bis zu 3,4 Millionen Tonnen Weizen angebaut werden. So gelinge es am besten, „die Getreideerträge in Deutschland stabil zu halten und damit zur Stabilität der Weltmärkte beizutragen“, hieß es.

Özdemir: Putin „spielt mit dem Hunger“

Özdemir sagte, Russlands Präsident Wladimir Putin spiele mit dem Hunger, und er tue dies auf Kosten der Ärmsten in der Welt. Zugleich sei der Hunger bereits dort am größten, wo die Klimakrise schon schwere Folgen habe. „Für mich gilt daher, dass jede Maßnahme zur Lösung einer Krise darauf hin überprüft werden muss, dass sie eine andere nicht verschärft“, sagte der Grünen-Politiker.

Die Landwirtschaft in Deutschland habe ein Angebot gemacht, durch Beibehalten der Produktion die Getreidemärkte zu beruhigen. Agrarbetriebe wüssten nun, was sie in wenigen Wochen aussäen dürften.

Bauernverband: Entscheidung „kommt in letzter Minute“

Der Präsident des Deutschen Bauernverbands, Joachim Rukwied, begrüßte den Vorschlag, die EU-Regeln zu Flächenstilllegung und Fruchtwechsel auszusetzen. „Diese Entscheidung war überfällig und kommt in letzter Minute“, sagte er. „Wir Bauern haben bereits mit der Anbauplanung für das kommende Jahr begonnen und brauchen Planungssicherheit.“

Eine Aussetzung für ein Jahr ist aus Sicht Rukwieds sicher nicht ausreichend. Um weiter eine sichere Lebensmittelversorgung gewährleisten und in Krisenzeiten reagieren zu können, müssten alle Flächen genutzt werden können, auf denen es landwirtschaftlich sinnvoll sei. Die Bundesländer müssten dies jetzt zügig bestätigen.

Özdemirs Vorschlag erhält Zuspruch von der FDP

Auch Baden-Württemberg und die FDP begrüßten den Kompromissvorschlag. Özdemir habe endlich eingelenkt, sagte der Stuttgarter Minister für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz, Peter Hauk (CDU), der auch Sprecher der unionsgeführten Agrarressorts der Länder ist.

Ähnlich äußerte sich die stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Carina Konrad. Nun müssten die Regelungen schnell und rechtssicher umgesetzt werden, da die Aussaat bevorstehe. Es sei gut, dass Özdemir erkannt habe, wie dramatisch die globale Hungerkrise sei und Landwirten ermöglicht werde, mehr Getreide anzubauen. (dpa)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false