zum Hauptinhalt
Die Straßenblockaden in Berlin führen zu erbosten Reaktionen vieler Autofahrer.

© Christian Mang/REUTERS

Etikettenschwindel der Letzten Generation: Der Protest ist nicht gewaltfrei, sondern arrogant

In Berlin droht der Konflikt um Straßenblockaden zu eskalieren: nicht wegen der Staus, sondern wegen der Selbstinszenierung der Protestierer. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Christoph von Marschall

Seit 40 Tagen blockiert die „Letzte Generation“ Straßen, um eine andere Klimapolitik zu erzwingen. Die Stimmung ist aufgeheizt. Prügeleien zwischen erbosten Autofahrern und Aktivisten drohen.

Was löst so viel Wut aus: die Verkehrsbehinderungen oder die Dreistigkeit, mit der die Aktivisten ihr Vorgehen begründen? Es ist vermutlich der Etikettenschwindel, die Selbstüberhöhung und die anmaßende Verklärung zu Rettern, die als angeblich einzig Klarsichtige für das Überleben nicht nur der hiesigen Gesellschaft, sondern des ganzen Globus kämpfen.

[Alle aktuellen Nachrichten zum russischen Angriff auf die Ukraine bekommen Sie mit der Tagesspiegel-App live auf ihr Handy. Hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen.]

Generell treffen Klimaanliegen in Deutschland ja auf Sympathie. Und Staus sind in Berlin auch nicht so ungewöhnlich, dass sie die heftigen Reaktionen an den Schauplätzen und im Netz erklären.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Der Unmut speist sich aus der Kluft zwischen der Selbstsicht der Protestierer und ihrer Wahrnehmung durch die Bürger. Dabei wollen sie die doch von ihrem Anliegen überzeugen.

Sie behaupten, ihre Aktionen seien gewaltfrei. Das empfinden die Menschen, denen sie mutwillig die Bewegungsfreiheit nehmen, anders. Verständlicherweise. Wie würden sie selbst reagieren, wenn ihre Kritiker sich organisieren und ihnen den Weg zum Job, zur Uni, zum Einkaufen oder Freizeitvergnügen über Stunden versperren?

Für die Polizei ist es eine mühselige Aufgabe, die festgeklebten Hände unverletzt vom Asphalt zu lösen.
Für die Polizei ist es eine mühselige Aufgabe, die festgeklebten Hände unverletzt vom Asphalt zu lösen.

© Christian Mang/REUTERS

Das ist Nötigung, eine Straftat, also kriminell, sagt die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey. Politisch erfahren, wie sie ist, hat sie die Witterung für die Stimmung längst aufgenommen.

Manche ihrer linken und grünen Koalitionspartner argumentieren nun, man dürfe den Protest „nicht kriminalisieren“. Auch das ist eine Tatsachenverdrehung.

Den Aktivisten stehen viele Formen des legalen Protests zur Verfügung. Niemand will deren Gebrauch bestrafen. Hier fordern umgekehrt Sympathisanten der Letzten Generation, Straftaten zu entkriminalisieren. Doch auch eine gute Absicht heiligt nicht rechtswidrige Mittel.

Handwerker brauchen Autos für Werkzeug und Material

Es trifft wohl zu, dass sich einige der Autofahrten, über die sich die Blockierer aufregen, vermeiden ließen. Aber viele eben auch nicht. Handwerker, zum Beispiel, können ihre Werkzeuge und Ersatzteile nicht einfach in der BVG mitnehmen.

[Wenn Sie alle aktuellen Nachrichten live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]

Zweitens ist es eine autoritäre Anmaßung, wenn Menschen anderen Menschen vorschreiben wollen, was die zu tun oder zu lassen haben – zumal, wenn die, die sich zu Kontrolleuren aufschwingen, die Gesetze brechen, während die von ihnen Gemaßregelten sich an die vereinbarten Rechte und Pflichten halten.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Alles in allem sind es wohl nicht ein paar Staus mehr oder weniger in der Millionenstadt Berlin, die das Risiko heraufbeschwören, dass blockierte Autofahrer handgreiflich werden. Deren Wut entzündet sich eher an der elitären Arroganz, die aus der Selbstinszenierung der Letzten Generation spricht.

Zweierlei Art von Selbstjustiz

Sie tritt auf, als sei sie im Besitz einer absoluten Wahrheit. Und als seien alle, die sich ihr nicht anschließen, zu doof, um den Ernst der Lage zu kapieren. Sie nimmt sich das Recht zur Selbstjustiz und vertraut darauf, dass der Staat die Opfer ihrer Blockaden hindert, ebenfalls zur Selbstjustiz zu greifen.

Die „Letzte Generation“ hat ihre Chance auf Verständnis in der breiteren Bevölkerung verspielt. Der Staat muss darauf achten, dass es ihm nicht ähnlich geht.

Er hat nicht nur eine Schutzpflicht gegenüber den Protestierern. Sondern muss der Mehrheit das Gefühl geben, dass er auch ihre Rechte und Freiheiten schützt.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false