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Politik: EU droht Ungarn mit Sanktionen

Justizkommissarin Reding schließt Aussetzung der Mitgliedschaft nicht aus.

Berlin - In der EU wächst der Druck auf Ungarns Regierungschef Viktor Orban, die umstrittenen Verfassungsänderungen wieder zurückzunehmen. EU-Justizkommissarin Viviane Reding drohte Ungarn am Donnerstag mit der Aussetzung der EU-Mitgliedschaft des Landes. „Die Kommission ist die Hüterin der Verträge und sieht nicht tatenlos zu, wenn Grundsätze der Verfassung mit Füßen getreten werden“, sagte Reding in Berlin. Auch der Bundestag befasste sich mit den Verfassungsänderungen, die unter anderem eine Beschneidung der Befugnisse des obersten Gerichts in Ungarn vorsehen. SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier forderte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) auf, sich beim EU-Gipfel am Donnerstag und Freitag für eine Verurteilung der jüngsten Beschlüsse des ungarischen Parlaments einzusetzen.

Orban reagierte am Abend auf die internationale Kritik und signalisierte Gesprächsbereitschaft über die jüngsten Verfassungsänderungen. „Wenn irgendjemand ein Problem damit hat, gibt es Prozeduren und Institutionen, (...) mit denen wir diesen Punkt diskutieren können“, sagte Orban laut dpa in Brüssel. Allerdings seien die Vorwürfe inhaltlich nicht substanziell. Es gebe „keinen einzigen konkreten Punkt“ bei den vorgebrachten Bedenken.

Zu Beginn der Woche hatte das Parlament in Budapest mit der Mehrheit der rechtskonservativen Fidesz-Partei unter anderem durchgesetzt, dass das ungarische Verfassungsgericht von den Abgeordneten beschlossene Änderungen des Grundgesetzes künftig nur noch formal, aber nicht mehr inhaltlich prüfen kann. Kritiker sehen darin eine neuerliche Ausweitung der Machtfülle von Orbans Regierungspartei Fidesz. Zudem werden Studenten, die staatliche Stipendien bekommen haben, verpflichtet, nach ihrem Universitätsabschluss in Ungarn zu bleiben. Obdachlose, die unter freiem Himmel schlafen, müssen künftig mit Geldstrafen rechnen.

Angesichts der Verfassungsänderungen kündigte Reding konkrete Schritte an. „Die EU-Kommission wird nicht nur prüfen, sondern auch handeln“, betonte die Luxemburgerin und verwies auf Artikel sieben des EU-Vertrags. Die bisher noch nie angewendete Norm sieht bei einer „schwerwiegenden und anhaltenden Verletzung“ der Grundwerte der EU weitreichende Sanktionen vor. Dazu zählt neben der Kappung europäischer Hilfen auch die Aussetzung der EU-Mitgliedschaft eines Landes. Das EU-Mitglied wäre dann vom normalen Prozedere und von Abstimmungen ausgeschlossen. Reding stellte schnelles Handeln in Aussicht. Im Eilverfahren seien die Maßnahmen innerhalb von drei Wochen möglich. „Mit dem Grundgesetz spielt man nicht“, drohte Reding.

Ein Verfahren nach Artikel sieben gilt als schärfste aller möglichen Maßnahmen gegen ein EU-Mitglied, in dem die Grundrechte infrage gestellt werden. Das mehrstufige Verfahren kann entweder vom Europaparlament, den EU-Mitgliedstaaten oder der EU-Kommission eingeleitet werden. Ein Sprecher von EU-Ratschef Herman Van Rompuy sagte, man wolle die Überprüfung der ungarischen Verfassungsänderungen durch die Kommission abwarten. Im Europarlament verlangten Sozialdemokraten, Liberale und Grüne, dass sich die Staats- und Regierungschefs der EU bei ihrem Gipfel mit der Lage in Ungarn befassen müssten.

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