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Nicolas Sarkozy, Angela Merkel und die litauische Präsidentin Dalia Grybauskaite beim EU-Gipfel.

© Reuters

Treffen in Brüssel: EU-Gipfel streitet über Roma-Ausweisung

Die Staats- und Regierungschefs hätten lieber über einen schärferen Euro- Stabilitätspakt diskutiert. Doch der Streit über die Ausweisung tausender Roma aus Frankreich wirbelt den EU-Gipfel durcheinander.

Alle Augen richten sich auf Präsident Nicolas Sarkozy: Der Streit um die Abschiebung tausender Roma aus Frankreich beschäftigt außerplanmäßig den Brüsseler EU-Gipfel. EU- Parlamentspräsident Jerzy Buzek sagte, das Thema werde diskutiert. Die Atmosphäre sei ernst, „wir haben Probleme“. Sarkozy will nach der heftigen Kritik an der Politik seines Landes durch die EU-Kommission die Roma-Debatte in Brüssel zur Sprache bringen. Eigentlich sollte es bei dem Treffen um den Euro-Stabilitätspakt, um die Beziehungen zu China und Indien oder Russland gehen. Einen Erfolg gab schon kurz nach Eröffnung: Ein wichtiges Handelsabkommen mit Südkorea wurde besiegelt.

Sarkozy ist über die Kommission verärgert, die juristische Schritte gegen Frankreich wegen der Roma-Ausweisung angekündigt hatte. Vor allem aber ist er empört über EU-Justizkommissarin Viviane Reding, die die Ausweisungen indirekt in Zusammenhang mit Deportationen durch die Nazis gebracht hatte. „Ich habe nicht geglaubt, dass Europa nach dem Zweiten Weltkrieg noch einmal Zeuge einer solchen Situation wird.“ Am Mittwochabend hieß es aus Paris, Reding habe sich für ihre Äußerungen entschuldigt. Der Pariser Präsidentenpalast teilte dazu knapp mit, man habe dies zur Kenntnis genommen.

Die Kritik der Kommission hat sich vor allem an einen Schreiben der französischen Behörden an die Präfekten entzündet, indem laut Medienberichten gezielt die Auflösung illegaler Roma-Lager angeordnet wird. Dies würde gegen EU-Recht verstoßen. Der finnische Außenminister Alexander Stubb sagte vor Beginn des Gipfels, er sei sicher, dass Frankreich sich an die EU-Regeln halte.

Der französische Premierminister François Fillon hatte am Abend bei einem Treffen der europäischen Konservativen in der Nähe von Brüssel erklärt, Frankreich werde auf dem Gipfel klar machen, dass es nationales Recht und EU-Recht respektiere. Er bezeichnete Redings Weltkriegs-Vergleich als „skandalös“. Zuvor war aus der Umgebung des Präsidenten verlautet, Sarkozy habe erklärt, Redings Heimatland Luxemburg könne die Roma gerne aufnehmen. Österreichs Bundeskanzler Werner Faymann nahm die Kommission am Donnerstag in Schutz. Sie sei Hüterin der Verträge, und habe darüber zu entscheiden, ob es sich um Vertragsverletzung handele oder nicht, betonte Faymann. Das müss auch für Frankreich gelten.

Rückendeckung bekam Sarkozy dagegen am Vorabend vom konservativen italienischen Regierungschef Silvio Berlusconi. Er sagte der Pariser Tageszeitung „Le Figaro“ (Donnerstag) zur Roma-Debatte: „Es betrifft alle Länder Europas. Man muss daher dieses Thema auf die Tagesordnung des EU- Gipfels setzen, damit wir alle gemeinsam darüber sprechen, um eine gemeinsame Position zu finden.“ Bundeskanzlerin Angela Merkel bezeichnete die Kritik von Reding an der französischen Roma-Politik als überzogen. „Ich finde, dass die Kommission natürlich das Recht hat, dass man überprüft, ob die Mitgliedsstaaten auf der rechten Grundlage der europäischen Verträge handeln. Aber ich finde, dass der Ton, in dem Frau Reding es vorgebracht hat, und vor allem die historischen Vergleiche nicht so ganz passend waren“, sagte Merkel bei einem Treffen der europäischen Konservativen in Meise bei Brüssel. Auch Merkel sagte, sie gehe davon aus, dass das Thema bei dem Gipfel zur Sprache komme.

Ein weiteres Streitthema bei dem eintägigen Spitzentreffen sind die verstärkte europäische Haushaltsaufsicht und der verschärfte Euro-Stabilitätspakt. Die Reformarbeiten kommen derzeit nur schleppend voran. Merkel sprach sich für ein scharfes Vorgehen bei Verstößen gegen die Defizitregeln aus: „Deutschland wird strenge Sanktionen unterstützen. Es wird wichtig sein, dass wir deutlich machen, dass sich eine solche Krise des Euro nie wiederholen darf.“    Merkel sagte bei der Ankunft beim Gipfel, man werde sich auf dem Rat mit strategischen Partnerschaften befassen, „insbesondere mit so wichtigen Ländern wie China und Indien aber auch Russland“. „Wir glauben, dass wir in China einen wichtigen Partner haben. Wir glauben aber auch dass wir in den Fragen der Menschenrechte noch Fortschritte brauchen. Das werden wir miteinander diskutieren.“ Einen schnellen Erfolg erzielte der Gipfel bei dem als historisch geltenden Freihandelsabkommen zwischen der EU und Südkorea. Es konnte am Vormittag besiegelt werden. Die Blockade Italiens sei überwunden worden, teilten die EU-Außenminister mit. Die Italiener hatten sich gegen das eigentlich fertig ausgehandelte Abkommen gestemmt, weil sie ihre Autobranche vor einem massenhaften Import von südkoreanischen Kleinwagen schützen wollten.

Südkorea ist schon jetzt der viertwichtigste Handelspartner der EU. Koreanische Verbraucher kaufen jedes Jahr europäische Waren im Wert von 25 Milliarden Euro. Das Handelsabkommen soll das jährliche Handelsvolumen zwischen beiden Seiten noch um rund 19 Milliarden Euro erhöhen. Vorgesehen ist, dass europäische Warenexporteure jährlich 1,6 Milliarden Euro an Zöllen sparen. (dpa)

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