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EU-Vertrag

© AFP

EU-Vertrag: Tumulte bei der Feierstunde

Tumultartige Proteste von Europaskeptikern haben die Unterzeichnung der Grundrechtecharta im Europaparlament überschattet. Doch der Weg für die feierliche Unterzeichnung des EU-Reformvertrags ist frei.

Unter tumultartigen Protesten von Europaskeptikern der extremen Rechten und Linken ist am Mittwoch im Straßburger Europaparlament die EU-Grundrechtecharta unterzeichnet worden. Damit ist der Weg frei für eine Zeremonie an diesem Donnerstag in Lissabon – dort wollen die 27 Staats- und Regierungschefs der EU ihre Unterschrift unter den EU- Reformvertrag setzen.

Der neue EU-Vertrag verweist ausdrücklich in einem Artikel auf die Grundrechtecharta. „Die europäischen Grundrechte haben damit denselben Wert wie der EU-Vertrag selbst“, sagte EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso nach der Unterzeichnung der Charta im Europaparlament. „Die Rechte der Bürger werden in entscheidenden Bereichen gestärkt – von den Grundfreiheiten, den Menschenrechten, der Unionsbürgerschaft, der Justiz bis zum Datenschutz und den sozialen Rechten,“ sagte der Kommissionschef weiter.

Dagegen protestierte eine lautstarke Minderheit aus Rechtsextremen aus den osteuropäischen Mitgliedsländern, britischen Europagegnern und der „Front National“ des französischen Rechtsradikalen Jean-Marie Le Pen. Dänische EU-Gegner und die extreme Linke forderten auf Plakaten ein Referendum über die Grundrechtecharta und den neuen EU-Vertrag. Die überwältigende Mehrheit des Europaparlaments versuchte, mit minutenlangem Beifall für Kommissionschef Barroso, Parlamentspräsident Hans-Gert Pöttering und den EU-Ratspräsidenten José Socrates den Lärm auf der Rechten zu übertönen.

„Dies ist das wichtigste Zeremoniell, an dem ich in meinem ganzen politischen Leben teilgenommen habe“, hielt der portugiesische Ministerpräsident Socrates der extremen Rechten entgegen: „Diese Grundrechte werden zum Grundbestand der europäischen Demokratie gehören.“ „In der Europäischen Union geht es nicht nur um wirtschaftliche Kalkulationen von Kosten und Nutzen,“ erklärte Pöttering. „Wir sind zuerst eine Wertegemeinschaft. Diese gemeinsamen Werte, die in der Grundrechtcharta verankert sind, bilden das Fundament der europäischen Einigung – das Herzstück unseren europäischen Selbstverständnisses,“ sagte er unter dem Beifall des Hauses.

Der EU-Reformvertrag war im Juni unter deutscher EU-Präsidentschaft beschlossen worden. „Es ist für die Zukunft Europas von historischer Bedeutung, dass uns der Durchbruch zu einem Reformvertrag gelungen ist“, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel am Mittwoch in einer Regierungserklärung im Bundestag. Mit dem Reformvertrag werde das Europaparlament gestärkt, aber auch die nationalen Parlamente erhielten mehr Mitspracherechte, erklärte die Kanzlerin weiter. Erstmals hätten die nationalen Gesetzgeber die Möglichkeit, unmittelbar Einfluss auf die europapolitische Gesetzgebung zu nehmen. Der Bundestag werde künftig auch darauf achten müssen, dass es nicht zu einer „schleichenden Ausweitung“ der Befugnisse der Europäischen Union komme, sagte die Kanzlerin. „Europa wird demokratischer“, sagte sie. Abgeordnete aus Union, SPD, FDP und Grüne kündigten ihre Unterstützung für den Reformvertrag an. Die Linke will die EU-Reform ablehnen.

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