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Update

Euro-Notstand: EU-Krisentreffen: Es geht um alles

Die Spitzenpolitiker der EU sind gezwungen, die Gemeinschaftswährung zu stärken. Die Finanzminister haben in Brüssel einen milliardenschweren Rettungsschirm beschlossen. Hier die wichtigsten Fragen und Antworten zur Euro-Krise.

Wie ernst ist die Lage und wo lauern die Gefahren?

Es waren starke Worte, die der französische Präsident am Ende des Brüsseler Gipfeltreffens wählte, das möglicherweise einen entscheidenden Wendepunkt im Wettrennen zwischen der Politik und den Finanzmärkten markierte. Nicht mehr und nicht weniger als eine „Generalmobilmachung“ zur Verteidigung der Stabilität des Euro forderte Nicolas Sarkozy. Bis tief in die Nacht hatten Sarkozy, Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und die übrigen Staats- und Regierungschefs der Euro-Zone am Freitag in Brüssel getagt, und am Ende war klar: Unter dem Druck der Krise wollen sie künftig völlig neue Wege gehen und einen Notfallfonds aus der Taufe heben, um den Spekulanten den Wind aus den Segeln zu nehmen. Am Sonntagabend beraten derzeit die Finanzminister über den Fonds. Hier die wichtigsten Fragen und Antworten zur Krise.

Was kann passieren?

Kurz gesagt steht die Einheit Europas auf dem Spiel. Schon bei den Griechenland- Krediten hat sich gezeigt, dass die Akteure an den Märkten jedes Zögern und jeden Zwischenton als Schwäche werten. Gelingt es den 27 Mitgliedstaaten nicht, ihre Geschlossenheit zu beweisen, kann der Euro rasant fallen. Bis zu einem gewissen Maß ist das für die exportgeprägte deutsche Industrie nicht schlimm, weil so ihre Produkte im Rest der Welt billiger werden. Fällt der Euro aber zu tief, zeigt sich, dass es mit der Stabilität und Bonität der Region nicht weit her ist. Das würde die Kreditkosten für die allesamt schon hoch verschuldeten EU-Staaten erhöhen und in der Folge noch größere Einschnitte erfordern. Ein solches Negativst- Szenario könnte sogar zu einem Zerfall der EU und der Euro-Zone führen.

Wie real ist die Inflationsgefahr?

Seit Bestehen des Euro sind die Preise in Deutschland stabiler, als sie es zu D-Mark-Zeiten jemals waren. Doch angesichts der roten Zahlen in den öffentlichen Haus halten könnte die Inflation nun zunehmen. Zumal die Europäische Zentralbank (EZB) zur Bewältigung der Finanzkrise viel Geld in den Markt gepumpt hat. Das müsste sie nun durch Zinserhöhungen eigentlich wieder einsammeln – teurere Kredite würden die Lage der finanziell angeschlagenen Staaten allerdings weiter verschärfen. Deshalb ist eine anziehende Inflationsrate in den kommenden Jahren äußerst wahrscheinlich.

Wer sind die Gegner?

„Die Spekulanten sind unsere Gegner“, hat Bundeskanzlerin Merkel gesagt. Aber niemand weiß genau, wer die Spekulanten eigentlich sind, weil Finanzmärkte anonym funktionieren. Die Finanzaufsicht Bafin hat jedenfalls keine Anhaltspunkte, dass mit Kreditderivaten massiv gegen griechische Anleihen spekuliert wird. Große Banken, Investmenthäuser, Hedgefonds, andere Staaten, einzelne Händler – sie alle wollen ihr Geld vermehren. Zuletzt schien das besser zu gehen, wenn man auf eine Pleite Griechenlands oder gar den Untergang der Euro-Zone setzte. Eine konzertierte Aktion, einen Krieg dahinter zu vermuten, wäre falsch. Gelingt es Merkel und ihren EU-Amtskollegen, die Solidität der Gemeinschaftswährung und des Wirtschaftsraums unter Beweis zu stellen, gehen die Wetten ruckzuck in die andere Richtung.

Was kann die EU dagegen tun?

Das Ziel der überraschenden Wende in der europäischen Finanzpolitik vom Wochenende ist klar: Bevor die Märkte an diesem Montagmorgen öffnen und möglicherweise neue Angriffe auf Euro-Länder starten, sollte der neue Mechanismus beschlossen sein. Der Hilfsfonds könnte nach dem Vorbild jener Notkredite funktionieren, die die EU-Kommission bereits an die nicht zur Euro-Zone gehörenden Länder Rumänien, Lettland und Ungarn ausgereicht hat. Weil nach dem EU-Vertrag eine Haftung anderer Euro-Länder für Pleitekandidaten innerhalb der Euro-Zone nicht möglich ist, waren derartige Notkreditlinien in der gegenwärtigen Euro-Krise bislang ausgeschlossen gewesen.

Doch diese Bedenken sind mit der Griechenland-Krise offenbar beiseite gewischt. Das am frühen Montagmorgen in Brüssel beschlossene Hilfssystem der EU ist gestützt auf vier Säulen: Bis zu 60 Milliarden Euro Kredite sollen von der EU-Kommission kommen, ähnlich der Zahlungsbilanzhilfen für schwächelnde Nicht-Euro-Länder wie Ungarn, Lettland und Rumänien

Sollten die 60 Milliarden Euro nicht ausreichen, kommen dazu bilaterale Garantien der Euro-Staaten von insgesamt bis zu 440 Milliarden Euro. Bis zu 123,2 Milliarden Euro kämen von Deutschland, würde der gleiche Verteilungsschlüssel wie zur Rettung Griechenlands angewandt. Deutschland habe stundenlang auf bilateralen Krediten beharrt und dem System der Garantien erst zugestimmt, als die Gründung einer eigenen Zweckgesellschaft beschlossen wurde, hieß es. Zusätzlich zu den 500 Milliarden Euro der Europäer kommen nochmals bis zu 250 Milliarden Euro vom IWF. Der IWF ist bereits mit 30 Milliarden Euro Krediten für den schwer angeschlagenen Schuldensünder Griechenland mit im Boot.

Bedeutet der Beschluss des Gipfels eine politische Niederlage für Merkel?

Die Entscheidung dürfte der Bundeskanzlerin besonders schwer gefallen sein, die beim Brüsseler Gipfel vor allem ihre Forderung im Gepäck hatte, die Haushaltsdisziplin unter den Euro- Mitgliedern zu stärken. Dazu soll es nach dem Willen von Merkel, Sarkozy und Co. zwar künftig auch kommen, denn Verstöße gegen den Stabilitäts- und Wachstumspakt sollen mit schärferen Strafen geahndet werden. Das entscheidende Signal des Treffens vom Freitagabend ist aber ein anderes: Mit dem geplanten Hilfsmechanismus setzen sich vor allem jene Euro-Mitglieder durch, die schon zu Beginn der Griechenland-Krise eine möglichst zügige und massive Hilfe für in Not geratene Mitgliedstaaten verlangt hatten. Zudem erinnert die Idee des europäischen Hilfsfonds auch an den Vorschlag von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) zur Einrichtung eines Europäischen Währungsfonds. Merkel hatte sich in der Griechenland-Krise dagegen ausgesprochen, die Nothilfeaktion allein den Europäern zu überlassen und eine Beteiligung des IWF erwirkt.

Wie einig sind sich die Europäer?

Mit ihrer Forderung, einen Notfallfonds einzurichten, haben die Staats- und Regierungschefs der Euro-Zone die alten ideologischen Grabenkämpfe in der Frage hinter sich gelassen, was nun wichtiger ist – Solidarität mit Pleitekandidaten oder die Stabilität des Euro. Die Lage wird in Berlin und Paris inzwischen gleichermaßen ernst eingeschätzt: Merkel rief für Sonntagabend eine Runde mit mehreren Kabinettsmitgliedern im Kanzleramt zusammen, und auch Sarkozy hatte wenige Stunden zuvor eine Sondersitzung im Elysée- Palast einberufen.

Trotz der Einigkeit im Kreis der 16 Euro-Länder wurden am Sonntag Differenzen zwischen den insgesamt 27 EU-Staaten sichtbar. Deren Finanzminister sollten am späten Abend in Brüssel den Beschluss des Gipfels der Euro-Länder bestätigen. Allerdings wollen nicht alle Staaten, die außerhalb der Euro-Zone stehen, Solidarität mit der Gemeinschaftswährung zeigen: Der britische Finanzminister Alistair Darling schloss Londoner Hilfszahlungen für die Euro- Zone aus.

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