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Sechs Mal Euro. Im Tagesspiegel-Haus am Anhalter Bahnhof diskutieren sechs Korrespondenten über die Staatsschuldenkrise. Hans-Hagen Bremer (Paris, 3. v. l.), Gerd Höhler (Athen, 2. v. r.), Paul Kreiner (Rom, l.), Ralph Schulze (Madrid, 3. v. r.), Matthias Thibaut (London, 2. v. l.), Christopher Ziedler (Brüssel, r.). Moderiert hat der Ressortleiter Politik, Lutz Haverkamp (Mitte).

© Kai-Uwe Heinrich

Europa: Facetten einer Krise

Wie die Tagesspiegel-Korrespondenten aus sechs europäischen Hauptstädten das Drama um den Euro sehen.

Als Gerd Höhler Ende der Siebzigerjahre nach Griechenland kam, herrschte dort eine wahre Europa-Begeisterung. Diese Euphorie ist mit den unzähligen Sparpaketen, die während der Euro-Krise in den vergangenen zweieinhalb Jahren geschnürt worden, längst verflogen. „Das macht mir große Sorge“, sagte Höhler, Athen-Korrespondent des Tagesspiegels, am Freitagabend bei der Diskussion zum Thema „Bricht Europa auseinander?“ In der „Zeitung im Salon“ hatten die Tagesspiegel-Leser im Verlagsgebäude am Anhalter Bahnhof die seltene Möglichkeit, sechs Auslandskorrespondenten dieser Zeitung, die in europäischen Metropolen arbeiten, einmal persönlich zu erleben.

Für alle sechs Korrespondenten ist die Berichterstattung über Rettungsschirme, Milliardenlöcher und Demonstrationen inzwischen zum täglichen Brot geworden. Und sie alle sind besorgt angesichts der Fliehkräfte, die die Krise für die EU möglicherweise noch entwickelt. Ihr Ausblick – um es in der Sprache der Ratingagenturen zu sagen – ist gemischt. „Die Überzeugung der Franzosen, dass Europa eine gute Sache ist, hat abgenommen“, sagte etwa Hans-Hagen Bremer aus Paris. Eine gute Nachricht hatte immerhin Christopher Ziedler aus Brüssel mitgebracht: Der Euro dürfte zumindest „finanztechnisch“ die kommenden ein bis zwei Jahre unbeschadet überstehen.

Zwangsläufig wurde in der Diskussion die Rolle von Bundeskanzlerin Angela Merkel im Euro-Drama zum Streitthema. Gerd Höhler, dessen Schreibtisch sich gewissermaßen im „Auge des Hurrikans“ befindet, wie Politik-Ressortleiter Lutz Haverkamp anmerkte, sparte nicht mit Kritik an Merkel. Er warf der deutschen Regierungschefin vor, seit fünf Jahren den Griechen keinen Besuch mehr abgestattet zu haben – und auch bei ihrer bisher letzten Visite 2007 sei es nur um die Verhandlungen über den Verkauf von Eurofighter- Flugzeugen gegangen. Auch Paul Kreiner aus Rom monierte, dass sich Merkel zu wenig mit der Lebenswirklichkeit der Italiener – etwa mit der faktischen Jugendarbeitslosigkeit von 55 Prozent – auseinandersetze. Inzwischen werde die Kanzlerin südlich der Alpen als „Zuchtmeister Europas“ wahrgenommen, sagte er.

Ralph Schulze aus Madrid merkte hingegen an, dass viele Probleme auf der Iberischen Halbinsel hausgemacht seien. „Viele Spanier predigen Wasser, trinken aber Wein“, meinte er. Und auch London-Korrespondent Matthias Thibaut wandte kühl ein: „Frau Merkel sind die Hände gebunden.“ Er erinnerte daran, dass die gegenseitige Schulden-Haftung in der Euro-Zone eigentlich nicht vorgesehen gewesen sei. Erst allmählich bewege sich die Diskussion in Deutschland auf eine Antwort auf die Frage zu, ob die Schulden vergemeinschaftet werden sollen oder nicht.

Wie die sechs Hauptstadt-Korrespondenten die Euro-Krise persönlich und beruflich erlebt haben, ist in der morgigen Ausgabe auf der Doppelseite „Die Sonntagsfrage“ im Tagesspiegel zu lesen.

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