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Europa: Nah und doch so fern

Heute wird die Östliche Partnerschaft der EU gegründet – wirklich intensiv ist sie nicht.

Berlin - Der Gipfel in Prag, bei dem an diesem Donnerstag die Östliche Partnerschaft zwischen der EU und sechs ehemaligen Sowjetrepubliken besiegelt werden soll, steht unter keinem guten Stern. Vor dem Treffen, bei dem eine engere wirtschaftliche und politische Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Union und der Ukraine, Armenien, Aserbaidschan, Georgien, Moldawien und Weißrussland beschlossen werden soll, hagelte es Absagen. Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy lässt sich durch seinen Premierminister François Fillon vertreten. Auch der britische Regierungschef Gordon Brown und sein spanischer Amtskollege Jose Luis Rodriguez Zapatero sind nicht dabei.

Es ist nicht völlig überraschend, dass die Östliche Partnerschaft auf der höchsten politischen Ebene kein übermäßiges Echo auslöst. Die EU lasse sich die Östliche Partnerschaft zwar einiges kosten, „aber das Ziel ist ganz unklar“, analysiert Antonio Missiroli, Forschungsdirektor beim Brüsseler Think Tank „European Policy Centre“.

600 Millionen Euro sind im EU-Haushalt zwischen 2010 und 2013 zur Förderung der sechs Ex-Sowjetrepubliken veranschlagt. Mit dem Geld sollen die Verwaltungen in den Partnerländern modernisiert oder Grenzbeamte ausgebildet werden. Zudem verfolgt die Europäische Union das Ziel, kleine und mittlere Unternehmen in den Partnerländern zu fördern und grenzüberschreitende Stromverbindungen auszubauen. Es soll umfassendere Freihandelsabkommen geben, und nicht zuletzt möchten die Europäer die Demokratisierung in den sechs ehemaligen Sowjetrepubliken vorantreiben. Das Projekt der „Östlichen Partnerschaft“ bedeutet für sie allerdings eine schwierige Gratwanderung: Denn sie müssen Rücksicht auf Russland nehmen, das die Region als seinen „Hinterhof“ betrachtet.

Antonio Missiroli vom „European Policy Centre“ sieht vor allem ein Problem darin, dass die Östliche Partnerschaft Länder unter ihrem Dach vereint, deren Erwartungen an die EU völlig unterschiedlich seien. So erhoffe sich die Ukraine weit mehr als nur eine Partnerschaft – nämlich eine EU-Beitrittsperspektive. Auf der anderen Seite gehe es den Nachbarn Weißrussland, Armenien und Aserbaidschan schon zu weit, wenn die EU demnächst verstärkt auf die Einhaltung von Menschenrechten und demokratischen Werten pochen will. „Sie wollen bessere Handelsbedingungen“, fasst Missiroli die Position dieser Länder zusammen.

Auch auf EU-Seite gibt es Differenzen in der Frage, wie eng die Bindungen an die Staaten im Osten künftig sein sollen. Die Östliche Partnerschaft geht auf eine Initiative Polens und Schwedens zurück. Vor einem Jahr machten sich Warschau und Stockholm erstmals für die Idee stark, dass die EU sich im Rahmen ihrer Nachbarschaftspolitik auch auf den Osten konzentrieren solle. Die beiden EU-Staaten reagierten damit auf Sarkozys Mittelmeerunion, die im vergangenen Juli bei einem Gipfel in Paris begründet wurde. Die EU dürfe nicht nur dem Süden eine verstärkte Zusammenarbeit anbieten, sondern auch dem Osten, lautete die Argumentation Polens und Schwedens.

Der Vorstoß der beiden EU-Mitglieder bekam durch den Georgienkrieg im vergangenen Sommer zusätzlichen Auftrieb. Nach der Auseinandersetzung zwischen Russland und Georgien schlug die EU-Kommission vor, den Finanzrahmen für die Östliche Partnerschaft erheblich aufzustocken. Im vergangenen März stimmte der EU-Gipfel in Brüssel dem Vorhaben zu; trotzdem bestehen Meinungsunterschiede unter den EU-Mitgliedern über den Sinn und Zweck der neuen Partnerschaft fort. Vor allem Frankreich, Deutschland und die Benelux-Staaten wollen sie keinesfalls als eine Vorstufe für einen möglichen EU-Beitritt verstanden wissen.

Kanzlerin Angela Merkel will an dem heutigen Gründungsgipfel in Prag teilnehmen. Allerdings enttäuschte die Bundesregierung bereits vor dem Treffen in der tschechischen Hauptstadt die Hoffnung der östlichen Partnerländer, dass für Reisen in die EU-Mitgliedstaaten schon sehr bald keine Visa mehr nötig sein könnten. Der visafreie Reiseverkehr soll in der Gipfelerklärung zwar erwähnt werden – allerdings nur als „langfristiges Ziel“.

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