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© dpa

Europäische Union: Kein rasches Ende der Krise in Sicht

Europäische Ernüchterung: Nach dem irischen "Nein" zum EU-Reformvertrag zeichnet sich keine schnelle Lösung ab - stattdessen soll eine "Zeit des Nachdenkens" die Staatengemeinschaft aus der Krise führen. Den deutsch-französischen Vorstoß, die Ratifizierung des Vertrags trotzdem fortzusetzen, hält der EU-Vorsitz derweil für "riskant".

Ein rasches Ende der schweren EU-Krise nach dem Scheitern des "Lissabon-Vertrags" bei der Volksabstimmung in Irland ist nicht in Sicht. Es sei noch "viel zu früh", um eine Lösung zu finden, sagte Irlands Außenminister Micheál Martin am Montag am Rande eines Treffens der EU-Außenminister in Luxemburg. Er lehnte die Idee eines "Europas der zwei Geschwindigkeiten" ab. "Es gibt einen aufrichtigen Wunsch in Irland, dass wir ein volles, begeistertes Mitglied der Europäischen Union und im Herzen Europas bleiben wollen".

Auch beim EU-Krisengipfel am Donnerstag in Brüssel, der von dem "Nein" der Iren zum Reformvertrag überschattet wird, gilt eine Lösung als ungewiss. "Ich habe keine Lösung", gestand der derzeitige Vorsitzende des EU-Außenministerrates, Dimitrij Rupel.

"Zeit des Nachdenkens und der Analyse"

Als "riskant" bewertet der slowenische EU-Vorsitz hingegen einen Vorstoß Deutschlands und Frankreichs: Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy hatten die Mitgliedstaaten am Freitag gedrängt, die Ratifizierung des Lissabon-Vertrags fortzusetzen. Dies sei aber angesichts der Blockade durch Irland schwierig, sagte Rupel. Stattdessen sei nun "die Zeit des Nachdenkens und der Analyse gekommen". Auch andere EU-Außenminister forderten, zunächst die Gründe für die Ablehnung der Iren zu analysieren. 53,4 Prozent der Iren hatten am Donnerstag gegen die neue Rechtsgrundlage der EU gestimmt. Sie kann nur in Kraft treten, wenn sie von allen 27 EU-Staaten ratifiziert wird.

In acht der 27 EU-Staaten haben die Parlamente dem Lissabon-Vertrag noch nicht abschließend zugestimmt. Darunter sind Großbritannien und Tschechien. Der tschechische Präsident Vaclav Klaus hat den Vertrag bereits für tot erklärt. Der britische Außenminister David Miliband nannte das am Mittwoch anstehende Votum im Oberhaus dagegen "sehr wichtig".

Auswärtiges Amt: "Niemand will Irland heraushalten"

Das Auswärtige Amt bestritt unterdessen, dass Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) sich für einen zeitweisen Ausstieg Irlands aus dem europäischen Integrationsprozess stark gemacht habe. "Niemand will Irland heraushalten", sagte Steinmeiers Sprecher Martin Jäger in Berlin.

Steinmeier hatte laut Medienberichten am Wochenende am Rande seiner China-Reise gesagt, die Iren könnten sich für eine Weile aus dem Integrationsprozess ausklinken. Der Sprecher des Auswärtigen Amtes sagte dazu: "Was der Bundesaußenminister beschrieben hat, war keine Zielvorgabe, auch kein Vorschlag." Vielmehr habe Steinmeier eine Option beschrieben, "wie sie sich möglicherweise ergeben könnte." Er habe ausdrücklich nicht die Absicht gehabt, "unsere irischen Freunde unter Druck zu setzen".

Die Position des irischen Volkes soll respektiert werden

Zuvor hatte der italienische Außenminister Franco Frattini bezüglich Steinmeiers Überlegungen gesagt: "Es ist völlig verfrüht, improvisierte Lösungen vorzuschlagen". "Wir sollten erst einmal unserem irischen Kollegen  zuhören, wir sollten das irische Volk respektieren und ihm zuhören", sagte Frattini.

Der britische Außenminister David Miliband versicherte, die Ratifizierung des Vertrags in Großbritannien werde fortgesetzt. Irland brauche keine Angst zu haben, von der EU zurückgelassen zu werden. "Der Vertrag ist völlig eindeutig, dass er die Zustimmung der 27 Mitglieder braucht, um Rechtskraft zu erlangen. Das sollte die Sorgen Irlands entkräften. Es ist völlig klar, dass wir die Position der irischen Regierung und des irischen Volkes respektieren müssen."

Solana: "Das Leben geht weiter"

"Das Leben geht weiter", sagte EU-Chefdiplomat Javier Solana. "Ich weiß nicht, wie wir das praktisch lösen werden, aber wir werden es zweifellos lösen und wir werden unsere Arbeit fortsetzen." "Ich glaube, dass wir keine Zauberformel finden werden", sagte Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn. "Wir müssen den Iren zuhören. Das heißt, dass wir Irland auf der selben Augenhöhe betrachten müssen wie Frankreich und Holland 2005", sagte er. Es sei wichtig, "dass wir in Lissabon ankommen als 27".

Frankreich und die Niederlande hatten 2005 bei Volksabstimmungen den Entwurf einer EU-Verfassung abgelehnt. Die EU hatte dann in mühsamen Verhandlungen den Reformvertrag als Ersatz ausgehandelt. Asselborn schlug eine Erklärung der EU vor, mit der Sorgen der Iren vor EU-Entscheidungen über die Neutralität, Finanz- und Abtreibungspolitik des Landes entkräftet und ein erneutes Referendum gerechtfertigt werden könnte. "Der Prozess der europäischen Einigung und Integration wird nicht aufhören, der Reformvertrag ist nicht tot. Die EU bedeutet ständiges Krisenmanagement", sagte der finnische Außenminister Alexander Stubb.

Der irische Außenminister Martin betonte: "Die Entscheidung muss respektiert werden. Das ist eine demokratische Entscheidung des irischen Volkes." Die EU befinde sich jetzt "in einer ungewissen Lage, in unsicheren Gewässern": "Aber Europa war früher schon in dieser Situation und gemeinsam haben wir es immer wieder geschafft, einen Weg nach vorne zu finden." (jam/dpa/AFP)

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