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Christian Lindner: beharrlich an der Spitze.

© action press/Jean MW

88 Prozent für Lindner: Die Liberalen halten dem FDP-Chef die Treue

Mit 88 Prozent der Stimmen ist Christian Lindner als FDP-Parteichef wiedergewählt worden. Verantwortung für die Wahlschlappen übernimmt er nicht.

Christian Lindner bleibt. 88 Prozent der Delegiertenstimmen haben ihn auf dem FDP-Parteitag in Berlin gewählt, angesichts der turbulenten Monate, die hinter der FDP liegen ist das ein gutes Ergebnis. Fünf Landtagswahlen haben sie seit Eintritt in die Ampel-Koalition verloren, in Umfragen sind sie zwischenzeitlich auf fünf Prozent abgesackt. Lindner aber kann das nichts anhaben.

Seit fast zehn Jahren steht er nun hier. Solange schon ist Lindner Bundesvorsitzender der FDP. „Welch ein Laden war die FDP damals?“, fragt er in den Saal der „Station Berlin“. Er beantwortet sie selbst: finanziell überschuldet, 55.000 Mitglieder, in der außerparlamentarischen Opposition. Dagegen heute: Die FDP sei „wirtschaftlich solide“, habe 20.000 Mitglieder mehr, sei Regierungspartei.

Es klingt, als sei die FDP von damals mit der von heute nicht einmal in Ansätzen vergleichbar. „Ich glaube, damals war die FDP eine Partei, die wenig mit sich anzufangen wusste“, sagt Lindner, „die nicht so recht wusste, wer sie ist und wofür sie steht.“ Dabei ist es nicht so, als hätte sich die FDP in den vergangenen Monaten besonders wohlgefühlt mit sich selbst, im Saarland, Niedersachsen und Berlin scheiterten sie an der Fünf-Prozent-Hürde.

Nun also steht Lindner im Saal, über 600 Delegierte vor ihm, sie hören ihrem Vorsitzenden anderthalb Stunden zu. Es ist ein Sowohl-als-Auch, das Lindner mit Blick auf die Ausrichtung der Partei beschreibt. Die wahre Bedrohung der Demokratie seien die Reichsbürger, die es geschafft hätten, sich Waffen zu besorgen. Was die „Klimakleber“ aber täten, auf Straßen und Autobahnen, sei nichts anderes als „physische Gewalt“. Ihre Ideen seien „klein“, der Ärger „groß“. „Umgekehrt wäre besser.“

Spannend ist, was er nicht sagt

Die Liberalen grenzten sich von links ab, aber auch von rechts. Das „Dienstwagenprivileg“ sei ein Wort, das er nicht möge, sagt er. An der steuerlichen Begünstigung der Wagen wolle er keinesfalls etwas ändern, schließlich seien die meisten Dienstwagen Passats. Zugleich aber müsse man auch im Gebäudebereich anfangen, Verbesserungen für den Klimaschutz zu schaffen. Er spielt damit auf das umstrittene Heizungsgesetz aus dem Wirtschaftsministerium und dem Bauministerium an.

Was er unerwähnt lässt: die verlorenen Landtagswahlen. Als hätten sie mit ihm, dem Vorsitzenden, wenig zu tun, als schwebe er darüber. Er sinniert lieber über seine Reisen nach Washington und das deutsche Verhältnis zu China.

Wir sollten uns nicht darüber definieren lassen, ob wir für oder gegen die Ideen von anderen sind.

Christian Lindner, FDP-Parteichef

Dass die Partei in Regierungszeiten für Lindner weniger Priorität zu haben scheint, fällt auch Delegierten auf. Ein Minister könne „schwerlich“ immer auch für die reine Lehre der FDP mit einstehen, sagt einer. Sein Vorschlag: Die stellvertretenden Vorsitzenden sollten mehr der Kommunikation nach außen übernehmen. Vor allem den FDP-Vize Johannes Vogel hielte er für geeignet.

Lindner nickt. Dabei kann er das nicht uneingeschränkt gut finden, zu argwöhnisch hat er in letzter Zeit seinen Vize Vogel und dessen engste Mitstreiter beobachtet. Vogel hat in den vergangenen Monaten versucht, die Partei strategisch als „Dafür-Partei“ zu positionieren, im Unterschied zu denen, die das Heil der Partei vor allem in der Abgrenzung suchen.

Die Partei hält zu Lindner

Doch auch Lindner weiß, dass sich Fragen ergeben, aus seiner Lust am Ministersein, und seiner Unlust an der Positionierung der Partei. Er wirft Vogel und Co. dann auch einen Brocken hin: Gelegentlich würde gefragt, ob die FDP „jetzt eine Dafür- oder eine Dagegen-Partei“ sei. „Liebe Freundinnen und Freunde“, sagt er, „wir sollten uns nicht darüber definieren lassen, ob wir für oder gegen die Ideen von anderen sind. Wir haben nämlich eigene gute Ideen“.

Es ist ein Rekurrieren auf die Eigenständigkeit, die Lindner früher gern betont hat. Dass er noch lange nicht fertig ist, macht er auch deutlich – und was er von einer sozialliberalen Flirterei hielte. „Wir kämpfen für den Wert der Freiheit, für wirtschaftliche Vernunft, faire Lebenschancen und ein modernes, nicht-linkes Deutschland“, sagt er. „Der Auftrag ist eben noch nicht erfüllt. Wir stehen gemeinsam erst am Anfang.“ Die Delegierten applaudieren stehend. Sie halten zu ihrem Vorsitzenden.

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