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US-Wirtschaft: Finanzspritze von der Fed

Die US-Notenbank will Geld in die amerikanische Wirtschaft pumpen. Dafür kauft sie Staatsanleihen für 600 Milliarden Dollar. Welche Risiken birgt das.

Kleine Zahlen sind außer Mode, seit 2008 die Wirtschaftskrise die Welt zu erschüttern begann. 600 Milliarden Dollar will die amerikanische Notenbank Federal Reserve investieren, um Amerika aus dem ökonomischen Stillstand zu befreien. Bereits seit Monaten agiert die Fed derart beherzt – 1,75 Billionen Dollar hat sie bislang in die Märkte gepumpt. Allerdings mit mäßigem Erfolg. Nun soll es besser werden, verspricht Fed-Chef Ben Bernanke. „Dieser Ansatz hat die finanziellen Rahmenbedingungen in der Vergangenheit entspannt und bislang sieht es so aus, als wäre er abermals wirkungsvoll“, schrieb er in der „Washington Post“.

Die Erwartungen, die auf der Fed lasten, sind gewaltig. US-Präsident Barack Obama dürfte durch das Erstarken der Republikaner bei den Kongresswahlen zu Reformen, die die Wirtschaft in Schwung bringen, kaum in der Lage sein. Und Unternehmen und Bürger sind hoch verschuldet, sie plagen sich mit den Folgen des jahrelangen, auf Pump finanzierten Booms. Die Fed gilt als einziger Akteur, der in der Wirtschaft etwas bewegen kann. Trotz der anhaltenden Probleme der USA gilt die Zentrale, das Eccles Building in Washington, weiter als das Herz des weltweiten Finanzsystems. Werden Bernanke und seine Leute aktiv, verschieben Händler in London, Schanghai oder Frankfurt am Main Milliardenwerte von Aktien in Anleihen, Gold, Rohstoffe oder zurück. Das war auch am Donnerstag so – rund um den Globus stiegen die Aktienindizes als Reaktion auf die Fed-Ankündigung.

Mit ihren Milliarden will die Fed den US-Banken Staatsanleihen abkaufen. Das zusätzliche Geld, das den Finanzinstituten dadurch zufließt, können sie wieder an Unternehmen und Bürger verleihen – was Konsum und Investitionen anregen soll. Diese Politik der „quantitativen Lockerung“ ist freilich nur eine Notbehelf: Der klassische Mechanismus der Geldpolitik – Banken bekommen günstigere Zinsen und können Kredite billiger anbieten – funktioniert schon lange nicht mehr. Dass Bernanke weiß, was er tut, bezweifelt kaum jemand – schließlich gibt es kaum einen Ökonomen, der sich mit der Weltwirtschaftskrise der dreißiger Jahre besser auskennt als der Professor aus Princeton.

Trotzdem ruft sein Vorgehen Skeptiker auf den Plan. Kredite zu niedrigen Zinsen wolle derzeit niemand, argumentieren sie. Die Bürger sind ohnehin hoch verschuldet, noch mehr Kredite aufzunehmen kann sich kaum jemand leisten. Und den Firmen fehlt der Glaube an den Aufschwung, daher investieren sie nicht. Obwohl viele im Geld schwimmen. Allein Apple hat 51 Milliarden Dollar auf der hohen Kante. Gleichzeitig ist die Wettbewerbsfähigkeit der US-Wirtschaft in den vergangenen Jahren beständig gesunken. „Mit Geld kann man sich kein Wachstum kaufen“, urteilt Marco Annunziata, Chefökonom der italienischen Bank Unicredit.

Doch eine andere Wahl hat Bernanke nicht. Zum einen gehört es zu seinen Dienstpflichten, nicht nur auf stabiles Geld, sondern auch auf stetes Wirtschaftswachstum zu achten. Zum anderen treibt ihn die Sorge um, Amerika könnte in eine Deflation abrutschen. Sinkende Preise aber würden einen jahrelangen ökonomischen Stillstand bedeuten. Die mit 9,6 Prozent extrem hohe Arbeitslosenrate würde dann weiter steigen.

Doch Bernanke legt mit der Politik des billigen Geldes womöglich die Saat für die nächste Krise. Die vielen Dollars wollen irgendwo angelegt werden. Womöglich entsteht eine neue Preisblase, analog zum Immobilienmarkt, wo das abrupte Ende des Booms 2007 zum globalen Crash führte. Schon sind Rohstoffe deutlich teurer geworden, Gold eilt von Rekord zu Rekord. Dies könnte allerdings auch an der Angst der Anleger vor Inflation liegen. Den zusätzlichen Dollars stehen ja keine realen Werte gegenüber. Als „Pakt mit dem Teufel“ geißelt daher Tom Hoenig, Chef der regionalen Notenbank in Kansas City, das neue Milliardenspiel. Derzeit liegt die Inflation allerdings noch so tief wie seit den sechziger Jahren nicht mehr. Als „übertrieben“ wiegelte Bernanke daher die Angst vor Geldentwertung ab.

Der Dollar ist jedoch seit Monaten auf Talfahrt. Angesichts der mageren Renditen von US-Staatspapieren kaufen Investoren lieber Titel anderer Länder. Das treibt deren Wechselkurse mehr, als ihnen lieb ist. So ist der Euro zum Dollar seit Ende August um zehn Prozent teurer geworden. Der Verfall des Dollar ist damit nicht mehr eine rein amerikanische Angelegenheit, sondern kann den Export auch in Europa bremsen. „Ich sehe das mit Sorge“, sagte Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP).

Er weiß: Wenn es schlecht läuft, kann sogar Europa Schaden nehmen. Nämlich dann, wenn die Europäische Zentralbank (EZB) die Leitzinsen länger niedrig hält, als dies für die Geldwertstabilität gut wäre. Aus Angst vor weiterem Kapitalzufluss verzichten die Währungshüter womöglich auf Zinserhöhungen, um den Export nicht zu gefährden. So geschehen etwa am Donnerstag, als der EZB-Rat die Zinsen unverändert ließ. „Die Unsicherheit herrscht immer noch vor“, sagte EZB-Chef Jean-Claude Trichet mit Blick auf die Länder, denen die Krise noch zu schaffen macht.

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