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Die Regierung in Jerusalem will die Flüchtlinge loswerden. Sie seien zumeist als wirtschaftlichen Gründen gekommen, heißt es.

© Amir Cohen/Reuters

Flüchtlinge in Israel: Gefängnis oder Ausreise

Fast 40.000 afrikanische Migranten sollen Israel verlassen. Jetzt werden die Ausweisungsbescheide verteilt. Doch viele Bürger des jüdischen Staats protestieren gegen die Pläne.

Sheffi Paz kann es kaum erwarten. Täglich postet sie auf ihrer Facebook-Seite ein Bild mit einem abhebenden Flugzeug und der Aufschrift, wie lange es noch dauern wird. „54 Tage bis zur Abschiebung“ steht da am Dienstag. 54 Tage bis zu 1. April – dem Tag, an dem die Flüchtlinge aus Eritrea und dem Sudan aus Israel endgültig verschwinden sollen.

Sheffi Paz ist eine der Aktivisten im Süden Tel Avivs, die sich dafür einsetzen, „Eindringlinge“ und „Wirtschaftsschmarotzer“ loszuwerden. Vergangenes Jahr kam sogar Premier Benjamin Netanjahu in ihren Stadtteil. Hinterher sagte er, die illegalen Eindringlinge würden ausgewiesen und der Süden Tel Avivs an seine israelischen Einwohner zurückgegeben.

Ausweisungsbescheide für Zehntausende

Anfang der Woche nun hat die Einwanderungsbehörde begonnen, die Ausweisungsbescheide zu verteilen. Betroffen sind zunächst alleinstehende Männer, die rund 20000 der 34000 in Israel lebenden Flüchtlinge ausmachen. Sie sollen in Drittländer ausreisen, mit denen die Regierung eigenen Angaben zufolge entsprechende Vereinbarungen getroffen hat.

Welche Länder das sein sollen, wurde bisher zwar nicht offiziell bestätigt. Medien berichten aber, es handele sich um Ruanda und Uganda, die bereits in der Vergangenheit Migranten aus Israel aufgenommen hatten.

Die Flüchtlinge sollen freiwillig gehen. Umgerechnet etwa 2800 Euro will Israel jedem Einzelnen dafür zahlen, plus Flugticket. Wer nicht geht, kommt ins Gefängnis. Auch von Zwangsausweisung ist die Rede. Um den Plan umzusetzen, stellt die Einwanderungsbehörde 100 neue Inspektoren ein, die helfen sollen, die Flüchtlinge zu finden und abzuschieben.

"Was soll ich dort?"

Das Schicksal, das ihnen in Ruanda droht, ist ungewiss, sagt Sigal Rozen von der „Hotline für Flüchtlinge und Migranten“. Die NGO konnte mit 140 von 4000 Flüchtlingen, die in den vergangenen Monaten bereits freiwillig ausgereist sind, Kontakt aufnehmen. „Keiner erhält dort einen Flüchtlingsstatus.“

Immanuel Jamani will weder nach Ruanda noch nach Uganda. „Was soll ich dort? Ich bin Eritreer. Lieber gehe ich ins Gefängnis“, sagt der 40-Jährige, der 2008 nach Israel kam. Sein Asylantrag wurde bis heute nicht bearbeitet. Jamani musste fliehen, weil er in Eritrea um sein Leben bangte.

„Ich war freiwillig in der eritreischen Armee. Ich wollte für mein Land kämpfen, damit es eine Demokratie wird.“ Stattdessen gingen sie in Dörfer und Schulen, zwangen Frauen und Jugendliche zum Armeedienst. Jamani stellte kritische Fragen, wurde inhaftiert. „Als sie glaubten, ich würde für die Oppositionellen arbeiten, hatte ich Angst um mein Leben und bin geflohen.“

Über den Sinai nach Israel

Die meisten Migranten kamen nach 2005 über den Sinai nach Israel – bis das Land 2013 einen Zaun hochzog und niemanden mehr durchließ. Willkommen waren die Menschen hier nie. Netanjahu machte erst kürzlich bei einer wöchentlichen Kabinettsitzung wieder klar, wie er das sieht: „Wir haben nichts gegen Flüchtlinge. Wir tun etwas gegen illegale Einwanderer, die hierherkommen, um zu arbeiten. Israel wird weiterhin Asyl für echte Flüchtlinge gewähren.“

Holocaustüberlebende setzen sich für Migranten ein

Dem Regierungschef und seinen Kabinettskollegen zufolge sind also fast alle Flüchtlinge aus wirtschaftlichen Gründen gekommen. Gerade mal zehn Eritreer und ein Sudanese haben Asyl erhalten, berichtet Sigal Rozen. Die Stimmung unter den Flüchtlingen ist denn auch angespannt. Wird es zur Zwangsausweisung kommen? Müssen sie ins Gefängnis?

In der Zivilgesellschaft regt sich aber Widerstand gegen das Vorhaben der Regierung. 36 Holocaustüberlebende forderten jüngst Netanjahu dazu auf, den Plan zu stoppen. Auch Ärzte, Rabbiner, Schriftsteller und Akademiker meldeten sich zu Wort, Piloten der Fluggesellschaft El Al kündigten sogar an, keine Flüchtlinge nach Ruanda zu fliegen, die dazu gezwungen werden.

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