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Cem Özdemir, Bundesvorsitzender der Grünen, spricht am 10.10.2015 beim Landesparteitag der baden-württembergischen Grünen in Pforzheim (Baden-Württemberg).

© dpa

Update

Flüchtlingspolitik: Cem Özdemir: Merkel hat Kontrolle über Regierung verloren   

Grünen-Chef Özdemir sieht eine Tea-Party-Bewegung in der CDU. Angela Merkel selbst verteidigte sich - und Thomas de Maizière auch.

In der Flüchtlingskrise hat Bundeskanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel nach Meinung des Grünen-Vorsitzenden Cem Özdemir die Kontrolle über ihr Kabinett und ihre Partei verloren. Dem Tagesspiegel sagte Özdemir: "Die ständigen Alleingänge von Innenminister Thomas de Maiziere zeigen: Die Kanzlerin kann ihre Richtlinienkompetenz nicht mehr ausüben. Angela Merkel ist die Kontrolle über die schwarz-rote Bundesregierung ebenso entglitten, wie die über die CDU." In der Union habe inzwischen eine Art Tea-Party-Bewegung das Ruder übernommen, sagte Özdemir:  "In Merkels Partei hat  ein Wettbewerb um die unwürdigsten Vorschläge zur Abschreckung von  Flüchtlingen eingesetzt, den die CDU-Chefin nicht stoppen kann."

Wie am Dienstag bekannt wurde, hatte Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) bereits am 21. Oktober die Rückkehr zum Dublin-Verfahren angeordnet. Danach prüft das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF), ob ein Flüchtling schon in einem anderen EU-Staat registriert worden ist. Nach EU-Recht kann er dann dorthin zurückgeschickt werden, um dort ein Asylverfahren zu durchlaufen. Deutschland hatte die Dublin-Regelung zwar nicht außer Kraft gesetzt. Das BAMF machte von Ende August bis zum 21. Oktober aber von dem Recht Gebrauch, allen Syrern in Deutschland ein Asylverfahren anzubieten.

Kanzleramt: kein Kurswechsel

Vize-Regierungssprecherin Christiane Wirtz widersprach der Darstellung, dass es sich um eine Kurswende in der Flüchtlingspolitik der Kanzlerin handele. "Es hat nichts damit zu tun, dass in irgendeiner Form die politische Richtung sich geändert hat und irgendwie die Willkommenskultur oder ähnliches sich verändert hätte", sagte Wirtz am Mittwoch in Berlin. Sie betonte zudem, es handele sich um eine Entscheidung, die Bundesinnenminister Thomas de Maiziere in seiner Zuständigkeit getroffen habe. Merkel selbst oder Kanzleramtsminister Peter Altmaier seien nicht informiert gewesen. "Das ist auch kein Faktum, über das im Einzelnen dann das Kanzleramt oder eben die Bundeskanzlerin persönlich informiert werden müsste", fügte sie hinzu. In der Koalition wurde inzwischen eingeräumt, dass viele Flüchtlinge gar nicht in anderen EU-Ländern registriert werden und daher auch nicht zurückgeschickt werden können. Zudem nehmen die meisten Länder Migranten nicht zurück. Innenministeriums-Sprecher Johannes Dimroth erklärte dazu, die neue Regelung werde zwar längst nicht alle Flüchtlinge betreffen, aber es werde "auch keine verschwindend geringe Zahl von Menschen" sein.

De Maizière: "Das Verfahren war zu grobmaschig"

De Maizière hat seine Entscheidung verteidigt, das erst im November vorigen Jahres eingeführte beschleunigte Asylverfahren für syrische Flüchtlinge wieder abzuschaffen. Das Verfahren habe sich für die seither stark gestiegene Zahl als zu grobmaschig erwiesen, sagte de Maiziere am Dienstag in einer von der Opposition beantragten Aktuellen Stunde des Bundestages. Die Identitätsfeststellung habe sich zum Teil nur auf die Angaben des Asylbewerbers gegründet. Daher werde zur persönlichen Anhörung jedes syrischen Flüchtlings und damit zum regulären Asylverfahren zurückgekehrt.
Der Bundesinnenminister bekräftigte zudem, dass er unverändert das Ziel habe, mehr Syrer nur als subsidiär Schutzberechtigte und nicht als Flüchtling nach der Genfer Konvention einzustufen. Er habe eine entsprechende Anweisung an das Bundesamt für Migration noch nicht umgesetzt, da die SPD Gesprächsbedarf angemeldet habe. Er halte es aber weiter für richtig. "Deswegen werden wir darüber reden, zunächst im Kreis der Innenminister", sagte de Maiziere.
Für Migranten mit subsidiärem Schutz soll der Familiennachzug laut Absprache der Koalition für zwei Jahre ausgesetzt werden. "Wir können unsere hohen Flüchtlingszahlen nicht durch Familiennachzug verdoppeln oder verdreifachen", sagte de Maiziere. (has/Reuters)

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