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Guantanamo

© AFP, dpa, ddp, Montage: Hoffmann

Fragen des Tages: Guantanamo: Die neue Masche

Obama hat versprochen, das US-Gefangenenlager Guantanamo zu schließen. Wie schnell kann das gehen?

Es war eines der bedeutenden Versprechen im Wahlkampf: Als Präsident wird Barack Obama das Lager für Terrorverdächtige auf dem US-Stützpunkt Guantanamo in Kuba schließen und den Insassen rechtsstaatlich einwandfreie Verfahren zugestehen. Doch es ist unklar, wie sich der Wunsch in die Tat umsetzen lässt. Das ergaben Nachfragen der Nachrichtenagentur AP bei Obamas Beratern. Rechtsexperten arbeiten zwar an den Details. Aber Denis McDonough, ein außenpolitischer Berater, dämpft die Hoffnungen: Es sei noch keine Entscheidung gefallen, "wie und wo die Gerichtsverfahren abgehalten werden sollen, und es wird auch kein Entscheidungsprozess in Gang gesetzt, bevor die Verantwortlichen für die nationale Sicherheit und für Rechtsfragen benannt sind".

Derzeit leben etwa 250 Gefangene in dem Lager. George W. Bushs Regierung hatte hunderte Insassen in letzter Zeit in ihre Heimatländer entlassen oder an verbündete Regierungen übergeben, die bereit waren, sie aufgrund des US-Belastungsmaterials weiter gefangen zu halten. Unter den verbliebenen Gefangenen sind teils hochkarätige Terrorverdächtige, die Amerika aburteilen will. Doch die Prozesse wurden durch den juristischen Streit um Verfahrensregeln, zulässige Beweismittel und die Grundfrage, ob die von Bush bestimmten Militärtribunale rechtmäßig sind, verzögert.

Es sitzen auch etwa 50 Menschen in Guantanamo, die nicht mehr als Terrorverdächtige gelten, aber auch nicht in ihre Heimatländer abgeschoben werden können, weil sie dort politisch verfolgt würden. Aufsehen erregte Anfang Oktober der Fall von 17 Uiguren, Angehörige einer muslimischen Minderheit in China, die um die Autonomie ihrer Siedlungsgebiete kämpft. Sie waren um die Jahreswende 2000/2001 in Afghanistan aufgegriffen worden, in den Wirren des Krieges zum Sturz der Taliban nach dem Angriff auf Amerika vom 11. September. Laut US-Terrorbekämpfern waren sie in islamistischen Lagern im Waffengebrauch trainiert worden. Deshalb wurden sie als feindliche Kämpfer nach Guantanamo gebracht. Inzwischen sind die Ankläger der Meinung, dass sich der Kampf der Uiguren nicht gegen die USA richte.

Europa soll Obama bei der Schließung von Guantanamo helfen

China verlangt ihre Auslieferung. Das verweigern die USA jedoch, weil die Uiguren in der Volksrepublik kein rechtsstaatliches Verfahren bekämen. Unter Bush suchten die USA nach Ländern, die bereit sind, die Uiguren als politische Flüchtlinge aufzunehmen. So war die Bush-Regierung auch mit anderen entlasteten Ex-Gefangenen verfahren. Sie wollte diesen zu Unrecht festgehaltenen Menschen nicht den Aufenthalt in den USA erlauben. Viele Politiker befürchten Proteste der Bürger, nachdem Republikaner alle Guantanamo-Insassen jahrelang pauschal als hochgefährliche Terroristen bezeichnet hatten. 2007 hatte der Senat mit großer Mehrheit eine Resolution verabschiedet, der zufolge ehemalige Guantanamo-Häftlinge nicht in die USA entlassen werden dürfen. Dieser Beschluss ist zwar rechtlich nicht bindend. Aber auch viele Demokraten hatten dafür gestimmt. Das zeigt, wie politisch riskant es für Obama wäre, den Kurs zu ändern.

Freilich zeichnet sich ein Stimmungswechsel ab. Ein Bezirksrichter hatte im Oktober angeordnet, dass die 17 Uiguren Aufnahme in den USA finden müssen, als Ausgleich für die rechtswidrige Haft. Mit einem Eilantrag bei einer höheren Instanz stoppte die Regierung die Ausführung. Laurence Tribe, ein Harvard-Professor und Rechtsberater Obamas, sagt, es sei prinzipiell möglich, aber politisch umstritten, diesen Weg zu gehen.

Fünf Menschenrechtsorganisationen hatten am Montag in Berlin an die Regierungen Europas appelliert, Obama bei der Schließung Guantanamos zu helfen, indem sie solche entlasteten Gefangenen bei sich aufnehmen. Deutsche Rechtsexperten haben allerdings eingewandt, dies sei ein Problem, das die USA selbst geschaffen haben; man dürfe deshalb auch erwarten, dass sie es selbst lösen. Ein weiteres Hindernis für die zügige Schließung Guantanamos ist der Streit, vor welchen Gerichten die Prozesse gegen hochkarätige Verdächtige geführt werden sollen. Die Bush-Regierung hatte Militärtribunale damit beauftragt, die in Guantanamo tagen. Viele Demokraten und auch Obama hatten das kritisiert und den Eindruck erweckt, sie wollten reguläre Prozesse vor zivilen Gerichten in den USA. In der Praxis ist das nicht so einfach, sagen nun auch Experten aus Obamas Team. Die Sachlage ist anders als zum Beispiel bei einer Anklage wegen Mordversuch in Amerika - angefangen von den Beweismitteln, die von Militärs auf dem Schlachtfeld in Afghanistan gesammelt wurden, bis hin zu Verhören durch Geheimdienstmitarbeiter. Die wären möglicherweise nur gerichtsfest, wenn die Geheimdienstmitarbeiter vor Gericht auftreten würden - doch zu deren Enttarnung sind die Dienste nicht bereit.

Schließung scheint keine Priorität für Obama zu haben

Keine der drei potenziellen Varianten behagt den Obama-Experten. Sie wollen Bushs Militärtribunale nicht beibehalten. Sie möchten auch kein ganz neues Gerichtssystem für Terrorverdächtige aufbauen, weil das zu zeitaufwendig ist. Und wenn sie ein Mischsystem aus militärischem und zivilem Verfahren wählen, das die Kritik an Bushs Vorgehen berücksichtigt, fürchten sie dennoch einen weiteren lähmenden Verfahrensstreit.

Bisher deutet nichts daraufhin, dass die Schließung Guantanamos zu den Prioritäten für Obamas erste Amtstage gehört. Die Frage erregt bisher vor allem in Europa öffentliche Aufmerksamkeit. In den USA haben weder die "New York Times" noch die "Washington Post" seit der Wahl über Obamas Guantanamo- Pläne berichtet. Die AP-Recherche erschien nicht in der gedruckten Zeitung, sondern nur auf der Internetseite.

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