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Franz Müntefering: Der Mahner ist zurück

Der neue SPD-Chef Franz Müntefering lobt Frank-Walter Steinmeier in den höchsten Tönen – und erinnert seine Partei daran, dass sie wieder kämpfen muss.

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Salopper lässt sich der Anspruch auf die Führung einer Volkspartei nicht auf den Punkt bringen: „Bitte euch um euer Vertrauen, meines habt ihr“, sagt Franz Müntefering. Vierzig Minuten Rede im bekannten Münteferingschen Eiltempo liegen hinter dem 68-Jährigen: Kurze Sätze, keinerlei rhetorische Girlanden. Dafür der Ton des Predigers und Mahners, der jedem Genossen inzwischen vertraut ist.

Ohne ein Jackett ist der Sozialdemokrat aus Sundern im Sauerland an diesem Samstagnachmittag ans Rednerpult getreten, um sein einzigartiges Comeback zu vollenden: Nach zwölfmonatiger Pause von der Politik wird er sich gleich zum zweiten Mal zum Vorsitzenden der SPD wählen lassen.

Über die Umstände dieser Rückkehr verliert er vor den Delegierten nur wenige Worte. Zwanzig Sekunden dauert die pflichtgemäße Reverenz an den Vorgänger, der für Müntefering weichen musste. „Heuchelei ist meine Sache nicht“, sagt er: Kurt Beck und er hätten oft „quer zueinander gestanden“, denn es gebe sowohl im Sauerland wie in Rheinland-Pfalz „Sturköpfe“. Beck werde ein wichtiger Sozialdemokrat bleiben.

Dann ist er ohne Übergang schon wieder weiter. Beck ist nicht mehr wichtig. Wichtig ist jetzt Frank-Walter Steinmeier. Wichtig ist, dass die Rollenteilung mit dem SPD-Kanzlerkandidaten stimmt. Gerade auf diesem Parteitag, wo mit Argusaugen verfolgt wird, ob auch nur eine Differenz zwischen den beiden erkennbar ist und welchem der beiden die SPD-Basis eher folgt. Gleich zu Beginn huldigt Müntefering dem Kandidaten, lobt dessen Ansprache in den höchsten Tönen: „Das war die Rede eines Mannes, der mit hoher Kompetenz und der Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen, deutlich gemacht hat, wie es in Deutschland weitergehen soll.“ Und: „Ich bin begeistert“ – und das sei schließlich bei ihm „nicht ganz so einfach“.

Auch inhaltlich knüpft er bei Steinmeier an, bekräftigt dessen Plädoyer für eine Politik, die nicht nur auf Verteilung setzt: „Wir dürfen uns nicht reduzieren auf das Soziale, sondern wir müssen auch die sein, die das Ökonomische gestalten.“ Die Gelegenheit für eine sozialdemokratische Wirtschaftpolitik sei günstig, weil die Idee des Marktradikalismus gerade so eindrucksvoll gescheitert sei.

Weniger versöhnlich als zuvor der Kandidat zeigt sich der Redner Müntefering beim Blick zurück auf die Reformpolitik Gerhard Schröders. Den Reizbegriff „Hartz IV“ nennt er nicht, preist aber neben vielen anderen angeblichen Verdiensten Schröders auch die in der SPD heftig umstrittene Reform der Sozialhilfe: „Ich habe ein gutes Gewissen wegen dem, was wir damals getan haben.“ Mehr Selbstbewusstsein fordert er ein – auch gegen Widerstände von außen: „Wenn man erkannt hat, dass richtige Politik da ist, und dann ist das nicht populär, dann darf man nicht weglaufen, dann muss man das durchkämpfen.“

Kämpfen, das soll die SPD vor allem im Wahljahr 2009. „Wir wollen die Bundestagswahl gewinnen, das ist das Entscheidende.“ Dann, so mahnt der Mann im hellblauen Hemd, geht es nicht nur um die sozialdemokratische Binnensicht, sondern darum, Wähler zu gewinnen: „Die Lebenswirklichkeit ist draußen.“ Will sagen: Sie gehorcht eben nicht ohne weiteres dem Mehrheitswillen eines SPD-Parteitags.

Das alles klingt vertraut – und doch ist es nicht mehr nur der Basta-Politiker Franz Müntefering, der da spricht. Zwischen Mahnungen und Geschlossenheitsappellen unterbreitet der Zuchtmeister ein überraschendes Angebot. Die Partei soll nicht nur folgen, sie soll auch ausführlich über das Bundestagswahlprogramm diskutieren. „Eine Debatte über den gemeinsamen Weg ist keine Schande“, sagt Müntefering.

Wahrscheinlich ist es nicht falsch, hinter diesem neuen Angebot Münteferings eine Absprache mit Steinmeier über eine Aufgabenteilung zu vermuten: Der Kandidat darf Themen benennen und die Linie vorgeben, der Parteichef die Genossen mitnehmen. Wer Vorbehalte gegen den Zuchtmeister Müntefering hegt, soll darin nicht bestärkt werden.

Zum Schluss wirbt er noch einmal für den Kandidaten Steinmeier, verkündet selbst dessen Wahlergebnis. Natürlich weiß Müntefering in diesem Moment, dass er das Resultat des Vizekanzlers nicht erreichen kann. Dafür sitzt der Groll vieler in der SPD über die Demontage von Kurt Beck zu tief. 403 Stimmen – gerade mal 85 Prozent –, das ist für viele dann doch eine dicke Überraschung. Mit knapp über 90 Prozent hatten selbst Müntefering-Kritiker vom linken Flügel am Abend zuvor gerechnet.

Müntefering wäre aber nicht Müntefering, wenn er sich in diesem Moment Enttäuschung anmerken lassen würde. Intern soll der Sauerländer vorher geflachst haben, er nehme die Wahl auch bei einem Ergebnis von 50,1 Prozent an. Er tritt auf das knallrote Podium und reckt beide Daumen in die Höhe.

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