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Fußballfans verlassen das Wembley-Stadion nach dem Spiel der Euro 2020 England gegen Deutschland in London, Großbritannien.

© imago images/NurPhoto/WIktor Szymanowicz

WHO und Seehofer kritisieren Uefa: Fußball-EM treibt Infektionszahlen in Europa wieder hoch

Die Corona-Neuinfektionen in Europa nehmen nach zehnwöchigem Rückgang wieder zu. Angesichts der Verbreitung der Delta-Variante wächst die Kritik an EM-Spielen.

Die teilweise großen Zuschauermengen bei Spielen der Fußball-Europameisterschaft sorgen angesichts der Verbreitung der neuen Corona-Variante für immer lautere Kritik. Nach Einschätzung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) tragen sie zu einer schnelleren Verbreitung der Delta-Variante des Corona-Erregers bei. „Ja natürlich, wir sind eindeutig besorgt“, sagte der WHO-Regionaldirektor für Europa, Hans Kluge, am Donnerstag in Kopenhagen mit Blick auf das Turnier.

Und die Zahl zeigen: Corona-Neuinfektionen in Europa nehmen nach einem zehnwöchigen Rückgang erstmals wieder zu. Angetrieben von „Reisen, Zusammenkünften und Lockerungen der sozialen Beschränkungen“ sei die Fallzahl vergangene Woche um zehn Prozent gestiegen, sagte Kluge. Europa drohe eine neue Pandemie-Welle, „es sei denn, wir bleiben diszipliniert“.

Länder wie Portugal und Großbritannien zeigen derzeit, wie schwer die delta-Variante in den Griff zu bekommen ist. Während die Briten aktuell eine Inzidenz von 201 haben, stehen die Portugiesen bei 101, geht aus Tagesspiegel-Daten hervorgeht. Die Entwicklung der Corona-Neuinfektionen wird insbesondere auf die Ausbreitung der hochansteckenden Virus-Variante Delta zurückgeführt.

In Deutschland sind die Fallzahlen zwar aktuell weiterhin rückläufig und die bundesweite Sieben-Tage-Inzidenz lag am Donnerstag bei 5,1 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner. Allerdings nimmt auch hierzulande der Anteil der Delta-Variante an den Neuinfektionen rapide zu.

Delta verdränge die zunächst in Großbritannien festgestellte Coronavirus-Variante Alpha „sehr schnell“, sagte Kluge. Die EU-Krankheitsbekämpfungsbehörde ECDC hatte vergangene Woche prognostiziert, die Delta-Variante könnte bis Ende August 90 Prozent der Corona-Neuinfektionen in Europa ausmachen.

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Auch für seinen Zuständigkeitsbereich, der 53 Länder und Gebiete in Europa, aber auch Zentralasien umfasst, rechnet Kluge damit, dass Delta vorherrschend wird. In keinem der Länder sei die Corona-Impfkampagne so weit gediehen, dass sie den notwendigen Schutz vor der Delta-Ausbreitung biete, sagte er.

Wird die Euro 2020 zum „Superspreader“-Ereignis

In der WHO-Region Europa liegt der Anteil der Geimpften an der Bevölkerung seinen Angaben zufolge bei 24 Prozent. Die Hälfte der älteren Menschen und 40 Prozent der Mitarbeiter im Gesundheitssektor seien noch nicht immunisiert worden. „Das ist inakzeptabel und es ist weit weg von der empfohlenen Abdeckung von 80 Prozent der erwachsenen Bevölkerung“, kritisierte Kluge.

Die WHO forderte auch deshalb bessere Maßnahmen, um eine Ausbreitung des Coronavirus durch Zuschauer der Spiele der Fußball-Europameisterschaft zu verhindern. „Wir müssen viel weiter schauen als nur auf die Stadien“, sagte die Notfall-Beauftragte der WHO Europa, Catherine Smallwood, in Kopenhagen.

[Mehr zum Thema: Ausbreitung von Delta – welche Urlaubsländer gerade wieder gefährlich werden (T+)]

Auch die Anreise der Fans etwa in Bussen und die Einhaltung individueller Schutzmaßnahmen müsse in den Blick genommen werden. Dies gelte ebenso für Menschenansammlungen nach den Spielen, etwa das gemeinsame Feiern von Fans in vollen Lokalen. Es sei bekannt, dass „große Massenzusammenkünfte als Beschleuniger bei der Übertragung“ wirken könnten, sagte Smallwood. Dies sei nicht nur bei der EM, sondern auch bei anderen Großveranstaltungen zu beachten.

Auf die Frage, ob die EM ein „Superspreader“-Ereignis sei, antwortete Kluge: „Ich hoffe nicht (...). aber das ist nicht auszuschließen.“

Hunderte Corona-Infektionen unter EM-Stadionbesuchern

In den vergangenen Wochen wurden bereits hunderte Corona-Infektionen unter EM-Stadionbesuchern registriert, unter anderem bei Schotten nach ihrer Rückkehr aus London und bei Finnen nach einem Besuch in St. Petersburg. Trotz der gegenwärtig starken Ausbreitung der Delta-Variante in den beiden Städten finden das EM-Viertelfinale Schweiz gegen Spanien am Freitag in St. Petersburg und die Halbfinalspiele und das Endspiel in London statt. Und die britische Regierung will bei den Halbfinalspielen am 6. und 7. Juli sowie beim Finale am 11. Juli, die alle im Londoner Wembley-Stadion stattfinden, jeweils mehr als 60.000 Zuschauer zulassen.

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Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) wandte sich deshalb in Berlin mit deutlichen Worten gegen die Uefa. Kommerz dürfe den Gesundheitsschutz für die Bevölkerung nicht überstrahlen, sagte er. Er halte die Position der Uefa für „absolut verantwortungslos“.

Er könne sich nicht erklären, „warum die Uefa hier nicht einer Linie der Vernunft folgt“, sagte Seehofer. „Ein Sportverband sollte schon klar erklären: Wir wollen das nicht so, wir reduzieren die Zuschauerzahlen“, appellierte er an den europäischen Fußballverband. Er verwies auf ein EM-Spiel in München, bei dem er selbst vor Ort war.

Dort seien 14.000 Zuschauer gewesen. Im Wembley-Stadion waren es am Dienstag 45.000. Wenn Menschen sehr dicht beieinander seien und Erfolge feierten mit Umarmungen, „ist vorgezeichnet, dass dies auch das Infektionsgeschehen befördert“, sagte er.

Vor Seehofer hatten sich schon Vizekanzler und SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz sowie SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach sehr kritisch zur großflächigen Fan-Rückkehr in die Stadien geäußert. Die UEFA hält aber unbeirrt an ihren Zuschauerplänen fest.

Die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie seien an jedem Spielort vollständig mit den Regularien der zuständigen lokalen Gesundheitsbehörden abgestimmt, teilte sie am Donnerstag auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur mit. Die finale Entscheidung über die Anzahl der zugelassenen Zuschauer bei den Spielen und die Einreisebestimmungen liege im Verantwortungsbereich der lokalen Behörden - die UEFA folge diesen. (Tsp mit Agenturen)

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