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Das französische Atomkraftwerk Cattenom nahe der deutschen Grenze.

© dpa/ epa/ Karaba

Gedankenspiele im Wirtschaftsministerium: Gibt es bald wieder staatliche Garantien für Atomexporte?

Für lukrative Atomexporte könnte es künftig wieder sogenannte Hermes-Bürgschaften vom Bund geben. Das Umweltministerium ist strikt dagegen.

Welches Konfliktpotential die Atomkraft noch immer birgt, verrät ein Blick auf die Jahrestagung Kernenergie, die in dieser Woche in Berlin stattfand. Von einem Jahrzehnt, in dem der Branche einiges zugemutet wurde, sprachen Lobbyisten. Und von einer Zukunft der Kernenergie, etwa durch Exporte ins Ausland.

Geladen war auch Thomas Bareiß, parlamentarischer Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium (BMWi). „Die Hermes-Deckungen für Sicherheitstechnologien im kerntechnischen Bereich sollten wieder möglich gemacht werden. Sie dienen dem Erhalt von Kompetenzen und der Sicherheit von Kernkraftanlagen im europäischen Ausland“, sagte der CDU-Politiker nach der Tagung.

Die Planungen deuten einen Wandel in der Exportförderpolitik des Bundes an. Mit den Deckungen sichert der Staat Exporteure gegen wirtschaftliche und politische Risiken ab. Die Überlegungen zu Atomexporten sind der Opposition nicht neu. „Hermes-Bürgschaften für Atomexporte, die CDU/CSU und Teile der Regierung wieder ermöglichen wollen, sind inakzeptabel für ein Land, das gerade den eigenen Atomausstieg vollzieht. Das wäre heuchlerische Doppelmoral“, sagte Bundestagsabgeordnete Sylvia Kotting-Uhl (Grüne) zu Tagesspiegel Background.

„Der Koalitionsvertrag spricht von AKW-Sicherheit in Europa. Wer die will, muss sich für einen europäischen Atomausstieg stark machen – und nicht Hochrisikotechnik exportieren“, erklärte die Vorsitzende des Umweltausschusses im Deutschen Bundestag weiter.

Im Interministeriellen Ausschuss herrscht ein Patt

Der Hebel, über den die Wiedereinführung möglich werden könnte, ist die Erstellung eines Konzepts zum Know-how-Erhalt in der Atomkraft. Die Formulierung, die Union und SPD im Koalitionsvertrag festgehalten haben, lässt Raum für Interpretationen: „Wir werden ein Konzept zum perspektivischen Erhalt von Fachwissen und -personal für Betrieb, Rückbau und zu Sicherheitsfragen bei Nuklearanlagen sowie für Zwischen- und Endlagerung erarbeiten“, heißt es dort.

Für das BMWi geht es dabei nicht nur um einen Rückbau von Atomkraftwerken, den Transport von Atommüll oder dessen Zwischen- und Endlagerung. Es wird auch über die Hermes-Deckung von Atomexporten nachgedacht, denkbar etwa für den Export von Sicherheitsleitsystemen bei neuen AKW-Projekten: „Für mich ist nicht nachvollziehbar, dass Deutschland das Know-how im Bereich der kerntechnischen Sicherheitstechnologien hat, wir aber Gefahr laufen, dass andere Staaten Technologie kaufen, die sich unter deutschen Standards befindet“, sagte Bareiß.

Über Hermes-Bürgschaften wird im sogenannten Interministeriellen Ausschuss (IMA) entschieden. 2018 wurden insgesamt knapp 20 Milliarden Euro an Garantien ausgereicht. Im IMA herrsche zu den Vorstellungen ein Patt, hieß es im Bundestag. Vertreter von vier Ministerien sind beteiligt: Finanzministerium und Auswärtiges Amt, beide SPD-geführt, sowie Entwicklungsministerium und BMWi, das die Federführung innehat.

Nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima waren die Bürgschaften für Atomexporte in Verruf geraten. 2012 hatten sich alle Bundestagfraktionen im parlamentarischen Beirat für nachhaltige Entwicklung gegen Hermes-Bürgschaften für Atomexporte ausgesprochen, insbesondere gegen die Deckung von Exporten für Neubauten im Ausland. Die große Koalition hatte sich lediglich offen gehalten, aus Gründen der Sicherheit für Instandhaltungen von Kraftwerken zu bürgen. 2014 kam es so zu einer letzten Deckung für einen Export.

BMU stellt sich gegen Änderung der Deckungspolitik

Das Umweltministerium (BMU) stellt sich klar gegen die Wiedereinführung der Praxis und verweist auf die Abstimmung des IMA 2014. „Diese Deckungspolitik sieht grundsätzlich keine Möglichkeit für die Übernahme von Exportkreditgarantien für Exporte im Nuklearbereich vor“, sagte Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) Tagesspiegel Background. Ausnahmen seien nur für Exporte möglich, die die Sicherheit von bestehenden Anlagen erhöhen, die der Stilllegung, dem Rückbau und der Entsorgung von Nuklearanlagen dienen oder nicht im Zusammenhang mit kommerzieller Stromerzeugung stehen.

„Es gibt aus meiner Sicht keine Veranlassung, von dieser Position abzuweichen“, sagte Schulze weiter. Im Bundestag war auf Nachfrage der Grünen am Mittwoch zu hören, dass die Abstimmungen zwischen BMU und BMWi bereits laufen.

Zwei Kraftwerkstechniker stehen auf der Brücke über dem Abklingbecken des Atomkraftwerks Emsland in Lingen.
Zwei Kraftwerkstechniker stehen auf der Brücke über dem Abklingbecken des Atomkraftwerks Emsland in Lingen.

© dpa/ Ingo Wagner

Bei Unionsabgeordneten findet die Idee des Wirtschaftsministeriums hingegen Befürworter. CDU-Abgeordneter Karsten Möring hatte sich erst kürzlich im Bundestag für die Hermes-Deckungen stark gemacht. Zur Erhaltung der Kompetenz im Bereich Urananreicherung oder der Zentrifugentechnik gehöre auch deren Anwendung, sagte Möring, Mitglied im Umweltausschuss. „Solange wir im eigenen Land Kompetenzen haben, sollten wir wenigstens Sicherheitstechnologie auch exportieren“, sagte Möring am Mittwoch.

Die Kritik der Grünen geht indes weiter. „Das Wirtschaftsministerium agiert traditionell wie eine Interessenvertretung der Atomindustrie. Damit schadet der Wirtschaftsminister der Energiewende und der Gesellschaft“, sagte Kotting-Uhl. Im letzten Jahr habe er einen beschleunigten Atomausstieg verhindert, „jetzt will er die Industrie mit Bürgschaften für eine veraltete, gescheiterte Hochrisikotechnik päppeln“, so Kotting-Uhl.

Atomlobby betont Nachfrage nach deutscher Technologie

Auch der Vorsitzende des neuen Atomlobby-Verbands Kernenergie Deutschland, Joachim Ohnemus, machte sich vor wenigen Tagen auf der Jahrestagung für Kerntechnik in Berlin für die Wiederaufnahme der Deckungen stark. Es dürfe nicht um den vollständigen Ausstieg aus der Kernenergie gehen, nicht um die Schließung der Atomanlagen in Gronau und Lingen. „Und es darf nicht um die Verwehrung von Exportkreditgarantien gehen für die Lieferung deutscher Sicherheitsleittechnik an ausländische Kernkraftwerke“, sagte Ohnemus.

Man befinde sich bereits länger im Gespräch mit dem BMWi, hieß es vom Verband. Die Nachfrage für deutsche Technik im Ausland, beispielsweise Sicherheitsleittechnik, sei groß.

Dass in der Branche Interesse an den Export-Bürgschaften besteht, macht eine Antwort der Bundesregierung an die Grünen-Abgeordnete Kotting-Uhl deutlich. So lag dem Bund bereits im Februar eine Voranfrage zu Deckungsmöglichkeiten mit Exportkreditgarantien für einen kerntechnischen Export nach Finnland vor. Der formelle Antrag des Unternehmens wurde hingegen noch nicht gestellt.

Dieser Artikel stammt vom Tagesspiegel Background Energie & Klima. Das Team veröffentlicht täglich Newsletter mit höchster Relevanz für Top-Entscheider, Kommunikationsprofis und Fachexperten. Hier können Sie die Newsletter vom Tagesspiegel Background abonnieren.

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