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Gefangene: Von Guantanamo nach Afghanistan?

Eigentlich wollten die amerikanischen Streitkräfte ihr Militärgefängnis im afghanischen Bagram Anfang 2011 in die Kommandogewalt afghanischer Sicherheitskräfte übergeben. Doch ob der Plan in dieser Form jemals in die Tat umgesetzt wird, ist nun ungewiss.

Nach einem Bericht der „Los Angeles Times“ will die Administration von US-Präsident Barack Obama in dem Gefängnis 75 Kilometer nordöstlich von Kabul künftig Häftlinge aus dem umstrittenen Militärgefängnis Guantanamo (Kuba) internieren, das geschlossen werden soll. In Guantanamo werden nach wie vor Gefangene ohne Zugang zu nationaler oder internationaler Jurisdiktion inhaftiert oder verhört.

Das Gleiche gilt für das US-Gefängnis im afghanischen Bagram: Seine rund 700 Insassen, die mit den radikal-islamischen Taliban oder dem Terrornetzwerk Al Qaida in Verbindung stehen sollen, haben bislang kein Recht auf einen Anwalt und erfahren auch nichts über die gegen sie erhobenen Vorwürfe. Menschenrechtsorganisationen haben diesen Zustand in den vergangenen Jahren immer wieder kritisiert.

Anfang vergangenen Jahres wollten vier Bagram-Gefangene vor einem US-Gericht ihre Haft anfechten – ohne Erfolg. Obamas Regierung ließ damals mitteilen, die Insassen des Militärgefängnisses in Afghanistan hätten kein Recht auf eine Haftprüfung vor einem amerikanischen Gericht. „Wenn das so bleibt, wäre das ein weiterer Akt der Rechtswidrigkeit“, sagt der Grünen-Bundestagsabgeordnete und ehemalige UN-Sonderbeauftragte für Afghanistan, Tom Koenigs.

Die Haltung der Obama-Regierung folgt hier der harten Linie der republikanischen Administration von George W. Bush. Auch sie verweigerte den Insassen von Bagram den Rechtsweg – und argumentierte, für die Gefangenen in Afghanistan gelte das Kriegsrecht. Schließlich seien die meisten dort Inhaftierten in Kampfgebieten von Afghanistan und Pakistan festgesetzt worden und würden auch dort festgehalten. Deswegen könne man die Gefangenen unbegrenzt lange internieren.

Unter welchen Bedingungen die Häftlinge im Militärgefängnis von Bagram leben, liegt weitgehend im Dunkeln. Lediglich Vertreter des Internationalen Roten Kreuzes, die aus Neutralitätsgründen zur Verschwiegenheit verpflichtet sind, haben die Haftanstalt besuchen können. Anwälten oder Angehörigen von Gefangenen wurde dagegen bislang der Zutritt verwehrt. Im Dezember 2002 wurde dennoch bekannt, dass in Bagram zwei Gefangene innerhalb von zehn Tagen ums Leben kamen. Offiziell war von natürlichen Todesfällen die Rede, spätere Untersuchungen ergaben aber, dass die beiden Häftlinge geschlagen, angekettet und am Schlafen gehindert worden waren.

Solche oder ähnliche Folterungen soll es laut Koenigs in Bagram inzwischen nicht mehr geben – das hätten ihm Mitarbeiter der Afghanischen Menschenrechtskommission versichert, die den Stützpunkt anlässlich der Einweihung eines neuen Hochsicherheitstraktes besuchen durften. Nach seinen Informationen seien die Haftbedingungen in Bagram „besser geworden“.

Wie die Zustände in dem Militärgefängnis en détail aussehen, weiß allerdings auch Koenigs nicht. Der Abgeordnete will in dieser Woche bei der Bundesregierung durch eine parlamentarische Anfrage Informationen über die weiteren Pläne der US-Regierung in Sachen Bagram einholen.

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