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Politik: Gegenwind des Wandels

Ein Buchautor brachte 2004 US-Präsidentschaftskandidat Kerry zu Fall – jetzt will er Obama stoppen

Können Bücher im Fernsehzeitalter Wahlen entscheiden? Im Sommer 2004 erschien in den USA ein Pamphlet, das entscheidend zur Niederlage des Demokraten John F. Kerry gegen George W. Bush beitrug. „Unfit for Command“ hielt sich zwölf Wochen lang auf Platz eins der Bestsellerliste der „New York Times“.

Wiederholt sich die Geschichte 2008? Anfang August hat Jerome Corsi ein neues Buch veröffentlicht mit dem Ziel, Barack Obama als Präsidenten zu verhindern. Der sei „ein radikaler Linker“ und werde die USA auf den Weg der „Selbstzerstörung“ führen. Es hat ebenfalls auf Anhieb die Spitze der Bestsellerliste erobert – „durch Massenverkäufe zu Dumpingpreisen“, wie die „New York Times“ naserümpfend anmerkt. In den USA gibt es keine Buchpreisbindung. Offiziell kostet das Buch 28 Dollar, man kann es aber auch für unter zehn Dollar bekommen.

2004 untergrub Corsi die Strategie der Demokraten, Kerry wegen seines Dienstes in Vietnam für die rechte Mitte wählbar zu machen: Kerry war als Kommandeur eines Patrouillenboots mit dem „Purple Heart“ ausgezeichnet worden – die Demokraten porträtierten ihn als Helden, dem man das Land im Krieg gegen den Terror anvertrauen könne. Corsi hob hervor, dass Kerry später vehement gegen den Vietnamkrieg protestiert hatte und präsentierte Kameraden vom selben Patrouillenboot, die Kerrys Führungsqualitäten bezweifelten.

Es folgte die Kampagne „Swift Boat Veterans for Truth“. Ihr Erfolg hat die Umgangssprache bereichert. „To swiftboat somebody“ meint heute: einen Menschen durch zweifelhafte Vorwürfe zu Fall zu bringen.

„The Obama Nation. Leftist Politics and the Cult of Personality“ ist ein Verleumdungstraktat mit vielen nachweislich falschen Behauptungen. In Deutschland würde es wohl durch einstweilige Verfügungen gestoppt. In den USA rangiert das Recht auf freie Meinungsäußerung höher. Solche Machwerke kommen keineswegs nur von rechten Autoren. Unter den ersten zehn Titeln der Bestsellerliste sind auch Bücher, die George W. Bush wegen Mord, Folter und Irreführung der Öffentlichkeit anklagen. Es gibt auch ein „Attack book“ gegen den republikanischen Kandidaten John McCain, „The real McCain“. 35 000 Exemplare wurden bisher verkauft – kein Bestseller.

Corsi ist ein 61-jähriger Erzkonservativer und arbeitet für die Internetzeitschrift „WorldNet Daily“, die sich vorrangig an die religiöse Rechte richtet. Um Seriosität zu suggerieren, setzt er seinen Doktortitel in Politologie ein, den er 1972 in Harvard erwarb. „Ph. D.“ steht groß hinter dem Autorennamen auf dem Buchtitel. Der Verlag versichert im Klappentext, wie „sorgfältig recherchiert“ und „gut dokumentiert“ die Anklage sei. Die Buchbesprechungen listen dagegen viele kapitale Fehler auf.

Corsi betont, zum Beispiel, Obama habe in der Jugend mit Haschisch und Kokain experimentiert – die Informationen stammen aus Obamas 1995 erstmals publizierter und 2004 neu aufgelegter Autobiografie – und behauptet dann, Obama habe bis heute nicht gesagt, ob und wann er den Drogenkonsum beendet habe. Doch dazu hat Obama mehrfach schriftlich und mündlich Auskunft gegeben: Sein Drogenkonsum fiel in die letzten Schul- und ersten Studienjahre. Seit dem Umzug nach New York zum Hauptstudium sei er „clean“. Das ficht Corsi nicht an. An anderer Stelle schreibt er, selbst wenn Obama sich dazu äußere – wer würde einem „Junkie“ schon glauben?

Er wärmt auch die Kontroverse um Obamas Pfarrer Jeremiah Wright und dessen unpatriotische Predigten „God damn America!“ wieder auf. Obama hatte sich verteidigt, dass er bei keiner dieser Predigten anwesend war und ihren Inhalt nicht teile. Corsi behauptet, am 22. Juli 2007 habe Obama eine solche „Flammenpredigt“ Wrights gehört. Tatsächlich hatte Obama an dem Tag einen Wahlkampfauftritt in Florida.

Eines ist anders: 2004 hatte der Ölmilliardär Boon Pickens Corsis Kampf gegen Kerry finanziert. Inzwischen ist Pickens Betreiber von Windkraftanlagen. Er lobt Obama und dessen Energiepolitik.

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