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Beim Generalstreik in Frankreich schützt sich ein Demonstrant mit einem Regenschirm vor Rauch.

© REUTERS/Jean-Paul Pelissier

Update

Generalstreik in Frankreich: Krawalle befürchtet – 6000 Polizisten im Einsatz

Der Generalstreik in Frankreich hat begonnen. Viele Schulen bleiben zu, fast alle TGV-Schnellzüge fallen aus. Es wird mit Krawallen gerechnet.

Der Generalstreik in Frankreich hat begonnen. Die Folge waren unter anderem massive Einschränkungen im Bahnverkehr: 90 Prozent der TGV-Schnellzüge wurden nach Angaben der staatlichen Bahngesellschaft SNCF gestrichen, ebenso 80 Prozent der Regionalzüge. In Paris liegt der Verkehr auf elf der 16 Metrolinien lahm. Züge und Flüge zwischen Deutschland und Frankreich sind ebenfalls betroffen.

Dem Ausstand bei der Bahn und im Pariser Nahverkehr wollen sich am Donnerstag unter anderem Feuerwehrleute sowie Mitarbeiter von Krankenhäusern und der Müllabfuhr anschließen.

Auch viele Schulen sind betroffen, allein in Paris seien nur 245 der 652 Schulen geöffnet, berichtet die französische Zeitung „Le Monde“.

Für Paris-Touristen gibt es ebenso Einschränkungen: Das Wahrzeichen der Hauptstadt, der Eiffelturm, bleibt am Donnerstag geschlossen. Wie die Betreibergesellschaft Sete mitteilte, gibt es nicht ausreichend Personal, um die Touristenattraktion an der Seine zu öffnen.

Große Pariser Museen wie der Louvre hatten bereits vor den Streiks vor möglichen Einschränkungen für Besucher gewarnt. Das Impressionisten-Museum Musée d'Orsay twitterte, es bleibe geschlossen.

Generalstreik in Frankreich – Ausschreitungen befürchtet

Es wird mit den größten Protesten seit Beginn der „Gelbwesten“-Krise vor gut einem Jahr erwartet. Fast 250 Kundgebungen sind angemeldet, mehrere Gewerkschaften haben zu den Streiks aufgerufen.

Die Proteste richten sich gegen die Rentenreform-Pläne von Staatschef Emmanuel Macron. Er will Vorrechte für viele Berufsgruppen abschaffen. Die genauen Pläne sollen Mitte Dezember vorgestellt werden.

Generalstreik in Frankreich: Der Eiffelturm in Paris ist geschlossen.
Generalstreik in Frankreich: Der Eiffelturm in Paris ist geschlossen.

© Rafael Yaghobzadeh/AP/dpa

Das Innenministerium befürchtet Ausschreitungen und hat die Sicherheitsvorkehrungen massiv verschärft. Allein in Paris sind rund 6000 Polizisten im Einsatz. Die Behörden rechnen bei Demonstrationen wieder mit heftigen Ausschreitungen.

In Paris wurden Ladenbesitzer an der Demoroute aufgefordert, ihre Geschäfte und Restaurants nicht zu öffnen. „Wir wissen, dass der radikale schwarze Block und „Gelbwesten“ beschlossen haben, an den Demonstrationen in Paris teilzunehmen“, sagte Innenminister Christophe Castaner.

Reisen am Tag des Generalstreiks in Frankreich – was Sie beachten sollten

  • Wer am Tag des französischen Generalstreiks mit der Bahn fährt, kann sich vorab auf bahn.de/aktuell über seine Reiseverbindung und eventuelle Ausfälle unter bahn.de/reiseauskunft informieren.
  • Die Deutsche Bahn schreibt zudem: „Fahrkarten können ab sofort bis einschließlich 11.12.2019 für die gleiche Verbindung kostenfrei auf einen anderen Reisetag umgebucht werden. Fahrkarten nach Frankreich, die für diesen Zeitraum gelten und nicht mehr genutzt werden, können kostenfrei zur Erstattung eingereicht werden.“
  • Das entsprechende Erstattungsformular für online gebuchte Fahrten finden Sie hier.
  • Folgende Züge sind betroffen: ICE-/TGV-Züge Paris Est – Saarbrücken – Mannheim – Frankfurt (M), TGV-Züge Marseille – Strasbourg – Mannheim – Frankfurt (M) und ICE-/TGV-Züge Stuttgart –Strasbourg – Paris Est
  • Wer von Frankreich aus nach Deutschland fährt, kann seine Fahrkarte bei jeder SNCF-Verkaufsstelle auf einen anderen Direktzug derselben Verbindung nach Deutschland kostenfrei umbuchen. Weitere Informationen auch unter www.sncf.com
  • Auch an den Flughäfen und bei Fluganbietern wird es möglicherweise zu Streiks kommen. Reisende kontaktieren am besten vorab Ihre Airline und überprüfen, ob ihr Flug an diesem Tag stattfinden wird oder welche Alternativen und Stornierungsmöglichkeiten es gibt.
  • Wie der ADAC auf seiner Webseite schreibt, könnten weitere touristische Sektoren vom Generalstreik betroffen sein wie Banken, Post, Fähren, Hotels, Restaurants, Museen, aber auch Abschleppunternehmen, Tankstellen, Autoverleiher und Autobahn-Mautstationen
  • Möglicherweise wird auch der Eiffelturm geschlossen sein, wenn die Mitarbeiter streiken.
  • Autofahrer sollten zudem Blockaden an wichtigen Straßenverbindungen nicht ausschließen.
  • Der ADAC rät zudem: Wer in Frankreich am Streiktag unterwegs ist, sollte größere Menschenansammlungen meiden. In der Vergangenheit kam es bereits zu Ausschreitungen bei Großkundgebungen.

Generalstreik in Frankreich: Macrons wichtigste Reform

Die Rentenreform gilt als wichtigste Sozialreform von Macron. Das neue System soll die Zersplitterung in Einzelsysteme für bestimmte Berufsgruppen beenden und somit solidarischer sein. Arbeitnehmer sollen auch dazu gebracht werden, länger zu arbeiten.

In Frankreich gibt es neben der allgemeinen Rentenversicherung, in die die Mehrheit der Franzosen einzahlt, zahlreiche Sonder- und Ausnahmeregelungen. Etliche Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes aber auch anderer Berufsgruppen sind Mitglied in einem der 42 Einzelsysteme, die besondere Privilegien mit sich bringen.

Gare du Nord in Paris: Gähnende Leere wo sonst die Bahnsteige voll sind.
Gare du Nord in Paris: Gähnende Leere wo sonst die Bahnsteige voll sind.

© JOEL SAGET / AFP

Sonderregelungen gelten etwa für Mitarbeiter der Staatsbahn SNCF, der Strom- und Gaswirtschaft, des Militärs, von Krankenhäusern aber auch für Seeleute, Anwälte, Freiberufler oder Angestellte der Pariser Oper.

Grund für Generalstreik in Frankreich: Sonderregelungen sollen enden

Diese Sonderrentensysteme werden vom Staat bezuschusst - nach ihnen richtet sich oft auch, wann jemand in Rente geht. So können Bahnfahrer der Pariser Nahverkehrsgesellschaft RATP schon Anfang 50 in Rente gehen, oft jedoch nicht mit vollen Bezügen. Das normale Renteneintrittsalter liegt in Frankreich bei 62 Jahren.

Je nach System fallen die Renten recht üppig aus. Viele sorgen sich, dass sie im Zuge der Reform weniger Rente bekommen werden. Die Gewerkschaften argumentieren, dass das neue einheitliche System den unterschiedlichsten Berufsgruppen nicht gerecht wird.

Denn die Reform soll die Sonderregelungen beseitigen. Künftig soll es ein Punktesystem geben, das sich nach der Dauer der Beitragsjahre richtet, so der Vorschlag. Das neue System soll von 2025 an eingeführt werden. Gewerkschaften fordern aber eine sogenannte Großvaterklausel. Demnach wären nur Berufseinsteiger von den Neuregelungen betroffen. Die Regierung spricht sich dagegen aus.

Parlamentsbeschluss im Sommer 2020 geplant

Ähnlich wie nach den „Gelbwesten“-Protesten gibt es in den Regionen nun Bürgerdebatten mit Regierungsvertretern. Die endgültigen Entscheidungen zur Reform sollen noch bekanntgegeben werden. Die Regierung strebt eine Parlamentsabstimmung vor der Sommerpause 2020 an.

Die Reform ist ein Mammutprojekt. Nach den „Gelbwesten“-Protesten ist sie die nächste große Herausforderung für Präsident Macron und ein durchaus heikles Vorhaben. In Frankreich fürchten nun viele einen Streik wie zuletzt 1995. Damals wurde wochenlang gegen die Renten- und Sozialversicherungsreform des damaligen Premierministers Alain Juppé protestiert.

Auch der aktuelle Streik wird wohl nicht am Donnerstagabend vorbei sein, sondern dürfte sich hinziehen. Für das Wochenende werden wieder massive „Gelbwesten“-Proteste in Paris erwartet. (Tsp, AFP, dpa)

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