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Gesetzentwurf: Was die US-Finanzreform ändert

Vertreter von US-Senat und Repräsentantenhaus haben sich am Freitag auf einen gemeinsamen Gesetzentwurf zur Reform der Finanzmärkte geeinigt. Was soll sich ändern – und reicht das aus?

Der Zeitpunkt hätte besser kaum sein können für Barack Obama. Kurz vor Beginn des G-20-Gipfels der großen Industrie- und Schwellenländer in Kanada hat das US-Parlament die größte Finanzmarktreform der vergangenen 80 Jahre auf den Weg gebracht. Niemand kann den Amerikanern nun vorwerfen, sie seien untätig und betrieben trotz der so folgenschweren Bankenkrise Business as usual.

Für den US-Präsidenten sind die neuen Gesetze ein wichtiger Schritt in schwieriger Zeit – angesichts der Ölpest im Golf von Mexiko und des Streits um sein aufmüpfiges Militärpersonal. Um seinen dritten großen innenpolitischen Erfolg nach der Gesundheitsreform und der Konjunkturstützung angemessen zu inszenieren, will Obama die Gesetze zum 4. Juli, dem Unabhängigkeitstag Amerikas, unterzeichnen. Seht her, soll das bedeuten, die mächtigen USA lassen sich von niemandem an der Nase herumführen, auch nicht von der Finanzindustrie.

Im Kern plant die Regierung, den Spielraum der Branche deutlich einzuengen. Zudem wird es eine Verbraucherschutzbehörde unter dem Dach der Notenbank geben, die unfaire Geschäftspraktiken aufdecken und verhindern soll. Bislang wenig überwachte Geschäfte und spekulative Produkte will der Staat strenger beaufsichtigen. Dieser Markt, der seit den achtziger Jahren einen enormen Aufschwung erlebt hat, steht im Ruf, die Finanzkrise nach der Lehman-Pleite im September 2008 noch befeuert zu haben. Die US-Wirtschaft hat die Krise zwar einigermaßen überstanden. Doch die Angst vor einem neuen Kollaps ist noch immer groß. Begonnen hatte alles mit dem Platzen der Blase auf dem Immobilienmarkt. Hausbesitzer, denen Kredite zuvor regelrecht aufgedrängt worden waren, konnten angesichts steigender Zinsen ihre Monatsraten nicht mehr bedienen. Aus den vielen Darlehen hatten die US-Banken extrem komplizierte Finanzprodukte geschnürt und sie weiterverkauft – die Risiken aber so gut kaschiert, dass sie niemandem auffielen. Als die Banken viele Papiere abschreiben mussten, weil sie schlicht wertlos geworden waren, kam eine Reihe von ihnen ins Taumeln. Ein paar wurden von Washington gerettet – die Investmentbank Lehman Brothers nicht. Dies sendete Schockwellen um die ganze Welt, beinahe wäre das Finanzsystem gekippt. Nur mit hunderten Steuermilliarden gelang es, die Banken zu retten.

Trotzdem gab es viele Stimmen in den USA, die Obama vor einer allzu harschen Regulierung der Banken warnten, auch mit Blick auf die ausländische Konkurrenz. Schließlich bedeuten Eingriffe in die Geschäftsmodelle der Wall Street umgehend sinkende Gewinne für Goldman Sachs & Co. Gegenüber dem ersten Gesetzentwurf vom Frühjahr ist die jetzt verabschiedete Version denn auch entschärft – dafür hat die intensive Lobbyarbeit der Branche gesorgt. Mit „90 Prozent“ bezifferte Präsident Obama gleichwohl den Anteil seiner ursprünglichen Ideen, die nun auch umgesetzt würden.

So sollte es den Banken eigentlich verboten werden, Spareinlagen zu verwalten und zugleich auf eigene Rechnung mit Finanzprodukten zu handeln. In geringem Umfang dürfen sie sich nun doch an diesem riskanten, aber lukrativen Geschäft beteiligen. Erlaubt bleibt ihnen auch der lukrativste Teils des Derivategeschäfts mit Wetten auf Devisen, Leitzinsen, Gold oder Silber – sicherlich auch wegen des Hinweises von Goldman Sachs, dass ein großer Teil des Jahresgewinns aus diesem Bereich stammt. Nur den Handel mit Wetten auf Agrarprodukte, Energie und Metalle müssen sie aufgeben. Zudem müssen sie alle Transaktionen über eine Börse abwickeln, damit auf dem bislang undurchsichtigen Markt Klarheit über Preise und mögliche Spekulationsblasen entsteht.

Verschoben wurde auch die Entscheidung über eine schärfere Kontrolle der Ratingagenturen. Sie müssen verstärkt haften – weitere Schritte gibt es vorerst nicht. Auch Megabanken, deren Kollaps das gesamte System gefährden würde, werden nicht wie ursprünglich gefordert verboten. Geblieben ist nur die Möglichkeit, kollabierende Institute zu zerschlagen und abzuwickeln. Die Branche muss sich außerdem mit 19 Milliarden Dollar an den Folgen der Krise beteiligen und mehr Eigenkapital als Absicherung zurücklegen. Wie es um das Risiko einer neuen Krise steht, soll ein Rat aus mehreren Aufsichtsbehörden beurteilen, der sich regelmäßig trifft. Bislang war die Überwachung auf mehrere Instanzen verteilt.

Steht Amerika in puncto Finanzmarktkontrolle nun besser da als Europa? „Auf keinen Fall“, sagt Hans-Peter Burghof, Banken-Professor an der Universität Hohenheim. Bei der Aufsicht oder den Vorschriften für die Eigenkapitalreserven der Banken seien die USA weit im Rückstand, auch wenn sie durch das neue Gesetzespaket nun aufholten. Einen wichtigen Punkt gibt Burghof Obama allerdings: „Die Amerikaner stellen Transparenz her – sie versuchen, das Marktversagen zu beseitigen, aber nicht den Markt.“ Europa neige dagegen dazu, gefährlich erscheinende Geschäfte zu verbieten. „Das ist für die Wirtschaft der schlechtere Weg“, urteilt Burghof.

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