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© dpa

Gesundheitspolitik: Schäubles Munition gegen die Kopfpauschale

Das CDU-geführte Finanzministerium versorgt die Opposition mit Fakten gegen Röslers Kopfpauschale.

Berlin - Die SPD hat es auf direktem Wege probiert. Mit einer „Kleinen Anfrage“, die aus 17 Einzelfragen bestand, wollte sie schon Mitte Januar von der Regierung wissen, was denn mit dem Kopfpauschalenprojekt von Gesundheitsminister Philipp Rösler auf Versicherte und Steuerzahler zukäme. Die Antragsteller wurden so barsch abgefertigt, dass Fraktionsvize Elke Ferner darin eine „grobe Missachtung des Parlaments“ sah und sich beim Ältestenrat beschwerte. Staatssekretär Stefan Kapferer beantwortete keine einzige Frage, er verwies nur in zwei Sätzen auf die geplante Regierungskommission.

Den nächsten Anlauf starteten die Grünen. Sie wandten sich nicht an Röslers Truppe, sondern an das Ressort, das die Milliarden für das FDP-Wunschprojekt lockermachen müsste: das CDU-geführte Finanzministerium. Und dem von Haushaltsnöten geplagten Wolfgang Schäuble schien die Anfrage gerade recht gekommen zu sein. Finanzstaatssekretär Hartmut Koschyk lieferte den Grünen weit mehr Munition gegen die umstrittene Einheitsprämie, als die sich erhoffen konnten. Auf zehn Seiten erhielten sie und der gesamte Bundestag den Nachweis, dass der mit der Pauschale verbundene Sozialausgleich nicht nur massive Steuererhöhungen erforderlich machen, sondern auch geringer Verdienende übermäßig belasten würde. Aus den Ministeriumsberechnungen ergibt sich, dass etwa ein Drittel der Steuerpflichtigen, die auf den Sozialausgleich angewiesen wären, diesen teilweise selbst finanzieren müssten. Um das 22 bis 35 Milliarden Euro teure Projekt zu verwirklichen, müsste der gesamte Einkommensteuertarif um drei bis fünf Prozentpunkte erhöht werden, heißt es in der Antwort. Die Alternative dazu wäre nur, den Spitzensteuersatz von derzeit 45 Prozent auf 73 bis 100 Prozent anzuheben. Das, so ätzt die SPD-Politikerin Ferner, forderten „noch nicht mal die Linken“.

Zugrunde liegt der Rechnung die Annahme, dass die künftige Kopfpauschale 140 Euro beträgt und dass alle Versicherten mit einem Monatseinkommen von bis zu 1800 Euro einen Zuschuss erhalten. Das orientiert sich am aktuellen Finanzbedarf der Kassen und dem bisherigen Arbeitnehmeranteil. Die FDP zeigte sich dennoch erbost. Fraktionsvize Ulrike Flach sprach von einer „Steuererhöhungsfantasie“, die „völlig aus der Luft gegriffen“ sei. Und Rösler nannte via „Bild“-Zeitung nun erstmals eine Zahl. Er versicherte, dass der Sozialausgleich nicht mehr als zehn Milliarden Euro verschlingen werde.

„Mit diesem durchsichtigen Manöver wird versucht, die Menschen zu verunsichern“, schimpfte Flach. Es sei „schon erstaunlich wie leicht sich die CDU/CSU vor den Karren der Opposition spannen lässt“. In der Union dagegen freuen sich nicht wenige über den zugespielten Ball. Es sei notwendig, sich an den Realitäten zu orientieren, sagte Fraktionsvize Johannes Singhammer (CSU). Eine Reform zulasten des Steuerzahlers werde „nicht ohne weiteres durchsetzbar sein“.

Die Grünen formulieren das natürlich drastischer. Der steuerfinanzierte Sozialausgleich habe sich als „illusorisch“ erwiesen, so Expertin Biggi Bender. Die Koalition verspreche „Luftschlösser, die bei nüchternen Betrachtung der Zahlen in sich zusammenbrechen“. Zudem falle bei einer Erhöhung des gesamten Steuertarifs Röslers Versprechen, das System gerechter zu machen, in sich zusammen. „Schwache Schultern hätten dann mehr zu tragen als starke.“ Für Steuerpflichtige stiege der Kassenbeitrag dank Kopfpauschale von derzeit 7,9 auf bis zu 12,9 Prozent. „Wenn es um nackte Zahlen und Adam Riese geht, kann sich eben keiner wegducken“, sagte Ferner dem Tagesspiegel. „Röslers Träume werden Träume bleiben, weil sie nicht finanzierbar sind.“ Offenbar sei man im Gesundheitsministerium nicht bereit, Fakten zur Kenntnis zu nehmen. Das Beharren der FDP erinnere sie an „spielende Kinder im Sandkasten, die unbedingt ihr Förmchen behalten wollen“. Anerkennung zollte Ferner dem Finanzministerium: „Die wissen wenigstens, was sich gehört im Umgang mit dem Parlament.“

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