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Kontrollen an den Grenzen.

© Matthias Balk/dpa

Lastwagen stehen 40 Kilometer lang still: Grenzkontrollen führen selbst in Italien zu Staus

Seit Sonntag werden die deutschen Grenzen zu Österreich und Tschechien wegen der Corona-Varianten kontrolliert. Das führt zu Chaos und Streit.

An den Grenzen zu Tschechien und zum österreichischen Bundesland Tirol gelten seit Sonntag schärfere Einreiseregeln. Aus Angst vor den dort verbreiteten, ansteckenderen Varianten des Coronavirus wird an den entsprechenden Grenzübergängen in Bayern und Sachsen streng kontrolliert. Wir geben einen Überblick über den Stand der Dinge.

Welche Regeln gelten seit Sonntag?

Seit Sonntag dürfen nur noch Deutsche sowie Ausländer mit Wohnsitz und Aufenthaltserlaubnis in Deutschland einreisen. Ausnahmen gibt es unter anderem für Gesundheitspersonal, Lastwagenfahrer und sonstiges Transportpersonal im Güterverkehr. Mitte der Woche sollten behördliche Bescheinigungen für Berufspendler vorliegen, die als systemrelevant eingeschätzt werden, so das Bundesinnenministerium am Montag.

Bis dahin müssen sich Pendler digital anmelden und an der Grenze einen negativen Corona-Test vorweisen, der nicht älter als 48 Stunden sein darf. Die tschechischen Behörden haben daher beispielsweise die Kapazitäten der Testzentren im Grenzgebiet erhöht und mithilfe der Feuerwehr zusätzliche Abstrichstellen eingerichtet.

Am Donnerstag hatte sich die Bundesregierung darauf verständigt, Tschechien, die Slowakei und das österreichische Bundesland Tirol als „Virusvarianten-Gebiete“ einzustufen.

Welche Auswirkungen der Kontrollen gab es am Montag?

Nachdem nach Angaben der Bundespolizei bereits am Sonntag tausende Personen an der deutsch-tschechischen sowie an der deutsch-österreichischen Grenze abgewiesen wurden, richtete sich der Blick am Montag vor allem auf die Pendler. Bis Montagmittag habe die Bundespolizei bislang 10.000 Personen kontrolliert und die Hälfte davon zurückgewiesen, teilte sie mit.

Vor den Autobahn-Grenzübergängen nach Deutschland haben sich in Tschechien kilometerlange Staus gebildet. Auf der Autobahn E55/D8 Prag-Dresden stauten sich die Lastwagen am Montagvormittag bis nach Usti nad Labem (Aussig an der Elbe) zurück.

Wie die Bundespolizeidirektion Pirna berichtete, rechnete sie im Tagesverlauf mit mehreren Stunden Wartezeit. Bereits am Sonntag hatten Reisende nach Inkrafttreten der Grenzkontrollen ein bis zwei Stunden für die Weiterreise gebraucht.

Auf der E50/D5 in Richtung Nürnberg bildete sich vorübergehend eine mehr als 20 Kilometer lange Lkw-Kolonne. Das ging aus den Angaben der Autobahnverwaltung und des Verkehrsfunks hervor.

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Die Kontrollen hatten auch Auswirkungen bis nach Italien: Bis zu 40 Kilometer lang stauten sich Medienberichten zufolge vor allem Lastwagen auf der Autobahn Richtung Norden. Grund dafür sei die von Österreich erlassene Regel, dass Lkw-Fahrer, die durch Tirol nach Deutschland fahren wollen, einen negativen Corona-Test vorweisen und sich registrieren müssen.

In Italien wurden viele Fahrzeuge bereits bei Verona gestoppt, mehr als 200 Kilometer vor der Grenze. Dort wurde kontrolliert, ob die Fahrer die nötigen Unterlagen für den Grenzübertritt haben - damit sie nicht in den Alpen bei minus zehn Grad Celsius strandeten. Außerdem wurden entlang der Straße Testzentren eingerichtet.

Die Grenzkontrollen machen es möglich: Lange Staus an der Grenze von Deutschland und Österreich.
Die Grenzkontrollen machen es möglich: Lange Staus an der Grenze von Deutschland und Österreich.

© Matthias Balk/dpa

Die Deutsche Bahn stellte nach dem Fernverkehr auch den Nahverkehr nach Tschechien und Tirol wegen des neuen deutschen Grenzregimes ein. Damit fahren die Regionalzüge zwischen Garmisch und Innsbruck beziehungsweise Reutte in Tirol nicht mehr, teilt die Bahn mit. Auch die Verbindung zwischen Kempten und Reutte wird eingestellt.

Nach Tschechien gilt dies für die Strecken von Rumburk nach Decin und Nürnberg nach Cheb. Dass die ICE- beziehungsweise EC-Verbindungen zwischen München und Verona sowie Hamburg und Prag nicht mehr fahren, hatte die Bahn bereits vergangene Woche angekündigt.

Anders als der Personenverkehr laufen die Gütertransporte über die Grenzen zu Tschechien und dem österreichischen Tirol der Deutschen Bahn zufolge ohne große Probleme. Die Bahn habe an den Einsatzstellen für Lokführer mit grenzüberschreitenden Zügen Möglichkeiten für Corona-Schnelltests geschaffen, teilte der Staatskonzern mit. „Die ersten Züge konnten gestern und heute problemlos die Grenzen passieren“, so die Bahn.

Welche Probleme ergeben sich durch die Grenzkontrollen?

Tschechien mit seinen Zulieferern gilt auch als „verlängerte Werkbank“ für viele deutsche Unternehmen. Zwar dürfen Berufspendler mit wichtigen Aufgaben in systemrelevanten Branchen nun doch nach Deutschland einreisen. Die Autoindustrie fürchtet trotzdem, dass am Montag einige Werke stillstehen könnten.

Die deutsche Autoindustrie fürchtet zum Wochenstart zudem weiter Lieferprobleme wegen der Grenzkontrollen zu Tschechien und Österreich. Viele Zulieferprodukte „werden direkt ans Band geliefert, und das ist der Druck“, sagte ein Sprecher des Branchenverbands VDA am Montag. Es komme nun auf die aufgebauten Corona-Testkapazitäten an den Grenzen an. Wie sich die Lage im Tagesverlauf entwickle, „müssen wir jetzt einfach mal beobachten“.

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Am Wochenende hatte der Verband gewarnt, durch zu erwartende Staus an den Grenzübergängen werde die Autoproduktion in Deutschland „ab Montagmittag vielerorts zum Erliegen kommen“. Durch die kurzfristig beschlossenen Kontrollen hätten die Autobauer keine Vorräte an Autoteilen mehr anlegen können. Er forderte daher, Lkw-Fahrer mit negativem und ärztlich bestätigten Corona-Test müssten über Sonderspuren an möglichen Grenzstaus vorbei geschleust werden.

Bereits am Freitag hatte der VDA vor einem „Abriss der Lieferkette“ gewarnt und vorgeschlagen, an den betroffenen Grenzen vorübergehend Selbstschnelltests von Lkw-Fahrern auch ohne ärztliches Attest zu akzeptieren. „Erste Produktionsbänder werden bereits nach wenigen Stunden stehen, wenn die Materialversorgung ausbleibt“, hatte VDA-Präsidentin Hildegard Müller erklärt.

Die Deutsche Polizeigewerkschaft begrüßte die Grenzkontrollen hingegen und warnte zugleich vor zu vielen Ausnahmeregelungen. „Je weniger Ausnahmen es gibt, desto besser funktionieren die Kontrollen, die nicht durchgeführt werden, um die Menschen zu schikanieren, sondern um ihr Leben zu schützen“, sagte der Bundesvorsitzende Rainer Wendt. Nicht jeder, der es von sich behaupte, sei auch systemrelevant.

Wie rechtfertigt Deutschland die Grenzkontrollen?

Das Bundesinnenministerium hat die strengen Grenzkontrollen zu Tschechien und Österreich als notwendig verteidigt. Die Ausbreitung von mutierten Varianten des Coronavirus könne dadurch „deutlich gehemmt“ werden, sagte Innen-Staatssekretär Stephan Mayer (CSU) am Montag im Deutschlandfunk.

Die Grenzkontrollen seien „nicht schön“, aber zum jetzigen Zeitpunkt „leider notwendig“. Sie seien der „absolute Ausnahmefall“, um die Gesundheitssysteme nicht mit Corona-Mutationsfällen zu überfordern.

Er wies auch Kritik der EU-Kommission an den Einreisebeschränkungen zurück. Deutschland benötige jetzt „keine Belehrungen von Brüssel“, sagte Mayer. Es werde alles getan, um „adäquate Lösungen“ zu finden und etwa den Bedürfnissen der Wirtschaft gerecht zu werden. Es gebe bereits Ausnahmemöglichkeiten für die Einreisen. Zudem werde mit der Wirtschaft und den Partnerländern über "vernünftige Lösungen" gesprochen.

Wie reagieren Österreich und Tschechien auf die Kontrollen?

Österreich hat die neuen deutschen Einreisebeschränkungen scharf kritisiert. Außenminister Alexander Schallenberg warnte am Sonntag vor „überschießenden Schritten, die mehr schaden als nützen.“ Das habe der konservative Minister seinem Berliner Kollegen Heiko Maas mitgeteilt.

Wiens Innenminister Karl Nehammer beschwerte sich, dass die Reisebeschränkungen für Tirol den innerösterreichischen Verkehr zwischen Tirol und dem Osten Österreichs behinderten, weil die Strecke über das sogenannte Deutsche Eck in Bayern de facto gesperrt sei. Dies sei „inakzeptabel“. „Diese Maßnahme von Bayern ist unausgegoren und löst nur Chaos aus“, sagte der konservative Politiker.

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Auch auf diplomatischer Ebene hat Österreich die neuen deutschen Einreisebeschränkungen kritisiert. Der deutsche Botschafter in Wien, Ralf Beste, sei am Sonntagabend bei einem Gespräch im Außenministerium auf die aus österreichischer Sicht Unverhältnismäßigkeit der deutschen Schritte hingewiesen worden, sagte eine Sprecherin des Ministeriums. Das sachliche Gespräch habe in guter Atmosphäre auf hoher Beamtenebene stattgefunden, hieß es.

Die Politiker in Tschechien halten sich bislang mit Reaktionen zurück. Dafür hat eine Protestbewegung in Tschechien „Vergeltungsmaßnahmen“ gefordert. Man rufe die Regierung in Prag dazu auf, die Grenzen für Deutsche komplett zu schließen, hieß es am Sonntag in einem auf Facebook verbreiteten Aufruf.

Tschechisches Gesundheitspersonal, das in Sachsen und Bayern arbeite, solle am Grenzübertritt gehindert und in heimischen Krankenhäusern eingesetzt werden. „Die Deutschen verteidigen ihre eigenen nationalen Interessen, und wenn unsere Regierung Führungsstärke zeigen würde, täte sie das auch“, hieß es. Hinter dem Aufruf steht die Bewegung „Chcipl Pes“, die sich für die Lockerung der Corona-Maßnahmen einsetzt.

Könnte es auch Kontrollen an weiteren Grenzen geben?

Aufgrund der Ausbreitung der gefährlicheren Coronavirusvarianten hat der saarländische Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) erneut verschärfte Kontrollen an den Grenzen zu Frankreich und Luxemburg nicht ausgeschlossen.

„Je nachdem wie sich diese Varianten nun auch bei unseren grenzüberschreitenden Nachbarn ausbreiten, können auch wir strengere Kontrollen der Menschen, die sich über die Grenze bewegen, nicht ausschließen“, sagte Hans am Montag in einer Regierungserklärung vor dem Landtag.

Gegebenenfalls werde es Kontrollen und Tests geben, „die wir gemeinsam mit unseren Nachbarn durchführen und idealerweise auch nicht entlang der ehemaligen Schlagbäume, sondern etwa durch Nachweise regelmäßiger Tests“. Hans betonte zugleich, dass Berufspendler ungeachtet möglicher verschärfter Kontrollen weiterhin zur Arbeit fahren können. „Auf keinen Fall aber werden wir den grenzüberschreitenden Berufspendlern neue Erschwernisse zumuten“, sagte der CDU-Politiker.

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Europa-Staatssekretär Clément Beaune kündigte an, er werde am Montag mit den Regierungschefs der drei benachbarten Bundesländer Saarland, Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg sprechen, damit es keine „bösen Überraschungen“ an der gemeinsamen Grenze mit Deutschland gebe.

„Wir machen alles im Gespräch“, sagte Beaune, der als Vertrauter von Staatschef Emmanuel Macron gilt. Eine komplette Schließung der deutsch-französischen Grenze solle verhindert werden. So müsse es möglichst weitgehende Ausnahmen für Grenzpendler geben. Auch der Straßengüterverkehr müsse weiterlaufen.

Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) will Grenzkontrollen im Norden verhindern - an der Grenze zu Dänemark sei ein solcher Schritt nicht nötig. Dort gebe es auf beiden Seiten strenge Regeln und einen ständigen Austausch mit den dänischen Behörden. „Das funktioniert gut“, so Günther. (mit Agenturen)

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