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Griechenlandkrise: Vertrauensfrage in Athen

Am Dienstagabend stellt sich Griechenlands Premier Giorgos Papandreou mit seinem neuen Kabinett im Parlament der Vertrauensabstimmung. Was ist zu erwarten, und welche Folgen kann die Abstimmung haben?

Es könnte ein Schicksalsvotum werden – nicht nur für den Regierungschef, sondern für das Land. Angesichts wachsender Kritik auch der eigenen Partei an seinem Sparkurs, hatte Papandreou am vergangenen Freitag seine Regierung umgebildet und den zunehmend unpopulären Finanzminister Giorgos Papakonstantinou abgelöst.

Die Vertrauensabstimmung findet traditionell um Mitternacht statt. Die „Bewegung der empörten Bürger“, die seit mehr als drei Wochen allabendlich auf dem Athener Syntagmaplatz vor dem Parlamentsgebäude gegen die Sparpolitik demonstriert, hat für Dienstagabend zu einer Großkundgebung aufgerufen. Nachdem bereits in der vergangenen Woche Tausende Demonstranten versuchten, die Zufahrten zum Parlamentsgebäude zu blockieren und sich vermummte Chaoten erbitterte Straßenschlachten mit der Polizei lieferten, befürchtet man neue Ausschreitungen.

Papandreous Panhellenische Sozialistische Bewegung (Pasok) verfügt über 155 der 300 Parlamentssitze. Für ein Vertrauensvotum braucht der Premier mindestens 151 Stimmen. Scheitert Papandreou bei der Vertrauensfrage, wären Neuwahlen die wahrscheinliche Folge – es sei denn, die beiden großen Parteien, Sozialisten und Konservative, raufen sich doch noch zu einer Koalition zusammen. Verhandlungen darüber waren allerdings vergangene Woche bereits geplatzt, bevor sie überhaupt richtig begonnen hatten. Politische Beobachter erwarten, dass es auch die Papandreou-Kritiker in der Regierungspartei zu diesem kritischen Zeitpunkt nicht auf einen Sturz der Regierung ankommen lassen. Denn dann könnte das Land ins Chaos abdriften. Wenn nicht spätestens Mitte Juli neue Hilfskredite fließen, ist Griechenland zahlungsunfähig.

Kritischer als das Vertrauensvotum könnte vor diesem Hintergrund eine andere Abstimmung werden: Ende Juni soll das Parlament über das neue Spar- und Privatisierungsprogramm der Regierung für die Jahre 2011 bis 2015 abstimmen. Von der Verabschiedung dieses Konzepts macht die EU die Auszahlung der für Juli erwarteten Kreditrate abhängig. Das Programm sieht ein Konsolidierungsvolumen von 28 Milliarden Euro vor. Erbracht werden soll es durch weitere Steuererhöhungen und Einsparungen. Der neue Finanzminister Evangelos Venizelos hat zwar angekündigt, er werde den Maßnahmenkatalog überarbeiten, um die Lasten des Sparkonzepts gerechter zu verteilen. Viel Spielraum hat Venizelos aber nicht.

Aus Protest gegen das Sparprogramm legten vergangene Woche bereits zwei Regierungsabgeordnete ihre Mandate nieder. Ein weiterer hat angekündigt, dass er gegen den Gesetzentwurf stimmen wird. Unterstützung aus den Reihen der Oppositionsparteien kann Papandreou kaum erwarten. Selbst wenn der Premier die Vertrauensabstimmung am morgigen Abend übersteht, könnte es für ihn also Ende des Monats eng werden.

Auch an der Streikfront wird es schwierig für die Regierung. Denn jetzt gehen im krisengeplagten Griechenland die Lichter aus: mit einem Dauerstreik protestiert die militante Gewerkschaft des staatlichen Stromversorgers DEI seit gestern gegen Pläne der Regierung, ein Aktienpaket des Unternehmens zu verkaufen.

Infolge des Streiks mussten gestern bereits zehn Kraftwerke vom Netz genommen werden. Dadurch wurden Stromabschaltungen nötig: In weiten Teilen des Landes gab es ab Mittag keine Elektrizität. Die Abschaltungen dauerten teils mehrere Stunden. Die Bevölkerung wurde aufgerufen, den Stromverbrauch möglichst weit einzuschränken und insbesondere auf den Betrieb von Klimaanlagen zu verzichten.

Der Stromversorger DEI ist noch zu 51 Prozent in Staatsbesitz. 49 Prozent sind an der Börse. Im Rahmen ihres Privatisierungsprogramms, das Voraussetzung für neue Hilfskredite der EU ist, will die Regierung 17 Prozent ihrer Anteile verkaufen. Die Gewerkschaft sträubt sich gegen eine weitere Privatisierung des Unternehmens. Sie fürchtet einen Verlust der Privilegien, die viele Angestellte genießen. Die meisten Beschäftigten des ehemaligen Staatsmonopolisten haben einen beamtenähnlichen Status und sind praktisch unkündbar. Die Gehälter bei dem Stromversorger liegen teils beim Doppelten dessen, was für vergleichbare Tätigkeiten in der Privatwirtschaft gezahlt wird.

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