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Bahnprojekt: Grüne: Stuttgart-21-Verträge sind verfassungswidrig

Ein Rechtsgutachten kritisiert den Landeszuschuss für die Neubaustrecke – geklagt wird trotzdem nicht. Falls sie regieren, wollen die Grünen Geld für das Land zurückfordern.

Berlin - Im Streit um das Bahnprojekt Stuttgart 21 wird auf vielen Ebenen gekämpft – politisch, außerparlamentarisch und auch mithilfe eines Rechtsgutachtens. Die Grünen-Fraktion im baden-württembergischen Landtag stellte am Montag eine Studie vor, nach der die Finanzierung des Projekts gegen das Grundgesetz verstößt. Erstellt wurde das Gutachten von dem Berliner Verfassungsrechtler Hans Meyer, der unter anderem Sachverständiger bei der Föderalismusreform war.

Im Blickpunkt steht dabei vor allem ein Zuschuss des Landes von 950 Millionen Euro zu der 2,89 Milliarden Euro teuren Neubaustrecke zwischen Ulm und Wendlingen, die Teil des Gesamtprojekts ist. Das Land hatte zugesagt, sich an der Finanzierung zu beteiligen, um eine gleichzeitige Fertigstellung des Bahnhofsumbaus und der Neubaustrecke sicherzustellen.

Rechtsgutachter Meyer hält diese Mitfinanzierung für einen „groben Verstoß“ gegen Artikel 104 des Grundgesetzes, wonach Bund und Länder jeweils gesondert für ihre Aufgaben aufkommen müssten. „Die Finanzierungsverträge zu Stuttgart 21 und zur Neubaustrecke sind nichtig“, sagte Winfried Kretschmann, der Vorsitzende der Landtagsfraktion in Stuttgart. Es sind schwerwiegende Vorwürfe, die die Grünen damit erheben. Unmittelbare Konsequenzen werden sie daraus dennoch nicht ziehen. Der Klageweg, der sich nach dem Urteil des Gutachters aufdränge, könne schon allein aus formalen Gründen nicht beschritten werden, sagte Grünen-Pressesprecher Arne Braun dem Tagesspiegel. Für eine Organklage sei die Grünen-Fraktion im Landtag mit ihren 17 Abgeordneten zu klein.

Das Gutachten könnte den Grünen aber eine Vorlage liefern, um im Falle einer Regierungsbeteiligung den Ausstieg aus dem Bahnprojekt vorzubereiten. „Die Finanzierungsvereinbarung ist ungültig, das Land darf künftig keine Zahlungen leisten und kann die bereits gezahlten Mittel zurückfordern“, sagte Kretschmann. Falls die Grünen regierten, würden die Zahlungen sofort eingestellt und bereits gezahlte Beträge zurückverlangt. „Mit uns wird es keine Fortsetzung des Verfassungsbruchs geben“, betonte er.

Die baden-württembergische Landesregierung nahm umgehend zu dem Gutachten Stellung. Umwelt- und Verkehrsministerin Tanja Gönner (CDU) zeigte sich „sehr verwundert“. Die Grünen würden nach „jedem Strohhalm“ greifen, um Stuttgart 21 zu diskreditieren. Im Juli 2007 habe die Landesregierung die Verfassungsmäßigkeit des Landeszuschusses von einer „anerkannten Anwaltskanzlei“ prüfen lassen. Allerdings war damals die Rechtspraxis, nicht aber die Verfassungsmäßigkeit untersucht worden.

Unterdessen erklärte das Bundesverkehrsministerium, sich über die Bewertung des Bundesrechnungshofs zu Stuttgart 21 missverständlich geäußert zu haben. Der Bundesrechnungshof hatte zuvor in einem Schreiben laut „Stuttgarter Zeitung“, betont, anders als von der Regierung behauptet habe der Rechnungshof nie sein Einvernehmen zu den Finanzierungsverträgen erklärt. Ein Ministeriumssprecher sagte dazu am Montag, bei den Finanzierungsverträgen an sich bedürfe es keines Einvernehmens mit dem Bundesrechnungshof, „da er da keine Zuständigkeit hat“.

Fabian Leber

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