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Politik: Guantánamo Connection

Bushs Justizminister hat gelogen. Sein Sturz könnte zur Schließung des Lagers führen

Rein sachlich gesehen, haben die zwei Skandale nichts miteinander zu tun: der Streit um die Entlassung von acht Staatsanwälten, die Justizminister Alberto Gonzales vielleicht zum Rücktritt zwingt – und das Gefangenenlager für Terrorverdächtige auf dem US-Stützpunkt Guantánamo, Kuba. Politisch aber ziehen amerikanische Medien diese Verbindung: Stürzt Gonzales, wachsen die Chancen, dass Guantánamo geschlossen wird.

Am Freitag wurde Gonzales nachgewiesen, dass er in seinen ersten Stellungnahmen die Unwahrheit gesagt hat. Er hatte behauptet, er sei „an keiner Debatte beteiligt“ gewesen. Nun kam heraus: Wenige Tage vor der Entscheidung vom November beriet er mit Mitarbeitern über die Entlassungen. Eine gezielte Lüge könnte zu seiner Entlassung führen.

Neue Minister verändern die Kräfteverhältnisse in der Regierung. Der Kongress muss sie bestätigen, dort haben jetzt die Demokraten die Mehrheit. Der neue Verteidigungsminister Bob Gates nimmt, anders als Vorgänger Donald Rumsfeld, wahr, welchen Schaden Guantánamo dem Ansehen Amerikas zufügt. Kürzlich habe Gates angeregt, die Strafverfahren gegen 14 Topterroristen, die am Montag in Guantánamo beginnen, in die USA zu verlegen, schreibt die „New York Times“. Sein Argument: Der Name sei so belastet, dass selbst rechtsstaatlich akzeptable Prozesse an diesem Ort im Ausland als „nicht legitim“ gelten. Das behindere die internationale Abwehr des Terrors, denn die beruhe auf Kooperation mit anderen Staaten. Außenministerin Condoleezza Rice sieht es genauso.

Gates und Rice unterlagen. Die Fraktion um Vizepräsident Dick Cheney und Justizminister Gonzales lehnt eine Verlegung ausländischer Terroristen in die USA kategorisch ab. Noch hat sie bei Bush die Oberhand mit der These, der volle Schutz der Rechtsordnung stehe nur US-Bürgern zu und bei Ausländern nur jenen, die sich in den USA aufhalten. Der Militärstützpunkt ist exterritorial.

Doch die Cheney-Fraktion schrumpft. Erst hat sie Rumsfeld verloren, nun vielleicht Gonzales. Amerikas oberste Gerichte teilen deren Auffassung nur eingeschränkt. In mehreren Verfahren haben sie den Gefangenen immer mehr Rechte zugesprochen: Zugang zu Anwälten, Klagerecht und ein Berufungsverfahren in den USA, die regelmäßige Überprüfung ihres Status als „unrechtmäßige Kombattanten“. Die Gesamtkonstruktion Guantánamo hat der Supreme Court jedoch nicht für rechtswidrig erklärt.

Die Schlacht um das Lager wird vor Gericht ausgetragen – und in der Politik. Unter internationalem Druck hat Bush erklärt, er würde Guantánamo gerne schließen. Ein Lippenbekenntnis? Unter Rumsfeld wurde 2006 ein teurer Hochsicherheitstrakt in Betrieb genommen, das sprach gegen Schließungspläne. Gates hat einen weiteren Neubau gestrichen.

Doch selbst wenn Gonzales stürzt und in der Folge Gates und Rice sich durchsetzen: Das Ziel, Guantánamo zu schließen, würde die Debatte erst richtig anfachen. Kein Bürger möchte ein Hochsicherheitsgefängnis für Terroristen in seiner Nähe wissen, kein Abgeordneter in seinem Wahlkreis. Das Einfachste für Bush wäre es, die derzeit 385 Insassen in ihren Heimatstaaten auf ewig einkerkern zu lassen. Sie stammen zumeist aus Diktaturen wie Saudi-Arabien, Ägypten, Pakistan. Die „Washington Post“ mahnt seit langem: Guantánamo ist schlimm. Jene anderen Gefängnisse wären schlimmer. Dort gäbe es weder Gerichte noch Medien, die den Kerkermeistern in den Arm fallen.

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