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Politik: Gute Besserung?

Schwarz-Gelb einigt sich auf Eckpunkte für ein neues Versorgungsgesetz – laut Rösler wirkt es in zehn oder 15 Jahren

Berlin - In der Union sprachen sie vom „großen Durchbruch“, und auch Gesundheitsminister Philipp Rösler zeigte sich erleichtert. Nach monatelangen Verhandlungen und einer letzten fünfstündigen Nachtsitzung verständigten sich die Koalitionsfraktionen auf die Eckpunkte für ein sogenanntes Versorgungsgesetz. Nach den Plänen des Ministeriums soll es Anfang 2012 in Kraft treten.

Hauptziel von Röslers zweiter Gesundheitsreform ist es, die Patientenversorgung zu sichern und mehr Ärzte aufs Land zu bringen. Erreicht werden soll das mit einem Maßnahmenbündel aus finanziellen Zuschlägen, besseren Arbeitsbedingungen und flexiblerer Planung. Er habe seine „liberalen Vorstellungen umfänglich durchsetzen können“, betonte der FDP- Chef in spe. Mit Strafandrohungen lasse sich eine bessere Versorgung ebenso wenig erreichen wie mit „mehr Planwirtschaft“. Der gesundheitspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Jens Spahn (CDU), auf den letzteres gemünzt war, nannte die Einigung gleichwohl einen „guten und fairen Kompromiss“. Und auch die Länder, die beim Ärzteverteilen nun stärker mitreden dürfen, zeigten sich zufrieden – obwohl die rheinland-pfälzische Gesundheitsministerin Malu Dreyer (SPD) schon mal anmerkte, dass es sich um „keine Zauberformel“ handle und das Gesetz den betroffenen Regionen fürs erste wohl keinen einzigen zusätzlichen Mediziner bescheren werde.

Allerdings vielleicht in zehn oder 15 Jahren, stellte Rösler in Aussicht. Man habe handeln müssen, denn schon jetzt hätten Patienten auf dem Land oft weite Wege in Kauf zu nehmen – trotz der höchsten Arztzahl in der Geschichte. Und das beginnende Problem drohe sich aus demografischen Gründen drastisch zu verschärfen. Das Durchschnittsalter niedergelassener Ärzte liege bei mehr als 50 Jahren.

Helfen sollen nun vor allem Anreize. So müssen Landärzte nicht mehr fürchten, für höheres Arbeitspensum bestraft zu werden. Die sogenannte „Abstaffelung“ des Honorars bei Überschreitung von Patientenobergrenzen soll für sie verschwinden. Für „besondere“ medizinische Leistungen sind Preiszuschläge möglich. Und die Definition „regionaler Besonderheiten“ schützt sie vor Regressforderungen, wenn sie mehr Arznei oder Hilfsmittel verschreiben als die Kollegen in der Stadt.

Wer in unterversorgten Regionen praktiziert, muss dort nicht mehr wohnen. Die „Residenzpflicht“ wird gelockert, das Betreiben von Filialen erleichtert. Und damit Landärzte nicht mehr so oft zum Notdienst ausrücken müssen, haben Kassenärztliche Vereinigungen diesbezüglich nun auch mit Kliniken zu kooperieren.

Geändert wird auch die Planung der Arztsitze. Starre Vorgaben nach Stadt- oder Landkreisgrenzen soll es nicht mehr geben, entscheidend wird der tatsächliche „Bedarf vor Ort“. Zu berücksichtigen wären dann etwa auch die Bevölkerungsstruktur, das Alter der dort lebenden Menschen und deren Möglichkeiten, zu einem Mediziner zu kommen. „Die Eifel und der bayerische Wald brauchen andere Lösungen als München oder Hamburg“, betonte Spahn. Wenn es Ärzten und Kassen nicht gelingt, Versorgungslücken zu schließen, sollen die Länder zudem selber tätig werden dürfen. In überversorgten Städten dagegen soll die Zahl der Niederlassungen leichter reduziert werden können. So erhalten Kassenärztliche Vereinigungen dort nun für frei werdende Arztpraxen ein Vorkaufsrecht . Bedingung: Kein Angehöriger des Vorgängers hat sich um die Nachfolge als Praxisbetreiber beworben.

Um junge Ärzte zu gewinnen, will Rösler auch an den Universitäten ansetzen. Nötig seien mehr Studienplätze, und das Fach Allgemeinmedizin müsse größere Bedeutung erhalten. Bei der Auswahl sollten zudem vorrangig Bewerber berücksichtigt werden, die sich auf spätere Landarzttätigkeit verpflichten. Allerdings hat das Gesetz hier nur Appellcharakter, denn Bildungspolitik ist Ländersache.

Aus Sicht der Versicherer gehen die Pläne in die richtige Richtung. Regionale Probleme sollten aber nicht mit zusätzlichem Geld, sondern über die Honorarzuwächse der Vorjahre gelöst werden, so der Verband der Ersatzkassen. Kritik kam von Grünen und Linkspartei. Martina Bunge (Linke) nannte die Eckpunkte ein„Ärztebeglückungspaket, das die Versicherten über Zusatzbeiträge bezahlen sollen“.

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