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Das Tragen einer Maske scheint ein wirksames Mittel zu sein.

© imago images/Michael Weber

Halbverstaatlichte Konzerne und kaputter Mittelstand: Wie soll der Aufschwung nach Corona gelingen?

Der Staat hat erfolgreich interveniert und die Pandemie vorerst in den Griff bekommen. Zur Stabilisierung des sozialen und wirtschaftlichen Lebens bedarf es jetzt eines Fahrplans. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Alfons Frese

Socialismo o muerte! An diese Parole aus der kubanischen Revolution könnte man sich dieser Tage erinnern beim Blick auf die deutsche Wirtschaft. Kompletten Branchen – Gastgewerbe und Tourismus, Messewesen und Einzelhandel, Sport und Kultur – hat die Politik die Existenzgrundlage entzogen, um möglichst viele Menschen vor dem Virus zu retten.

Ohne Geld des Staates, also die Gemeinschaft der Steuerzahler, kommen diese Bereiche mit Millionen Beschäftigten nicht mehr auf die Beine. Selbst globale Marktführer und Gewinnmaschinen wie Adidas, Tui oder Lufthansa brauchen den Staat, der die Rolle des „Nachtwächters“ in der Marktwirtschaft hinter sich gelassen hat. Aber bitte kein Leviathan werden.

Die Bundesregierung hat in wenigen Wochen das größte Hilfsprogramm in der Geschichte aufgelegt: Direkte haushaltswirksame Maßnahmen über gut 350 Milliarden Euro sowie Kreditgarantien über rund 820 Milliarden Euro. Mehr oder weniger täglich kommen weitere Instrumente hinzu, um die Krisenfolgen so gering wie möglich zu halten.

Die Schrittfolge ist zumindest für die Theoretiker in der Wissenschaft klar: erst intervenieren, dann stabilisieren und schließlich stimulieren. Vermutlich gibt es in wenigen Monaten das größte Konjunkturpaket aller Zeiten.

Wer begleicht am Ende die Corona-Rechnung?

Vorschläge für Paketinhalte treffen reichlich ein und geben einen Hinweis auf künftige Verteilungskonflikte. Wer zahlt was wofür? Und wer begleicht überhaupt die Corona-Rechnung? Die Notenpresse der Europäischen Zentralbank wird uns die Antwort nicht abnehmen.

Hintergründe zum Coronavirus:

Alles in allem agiert die staatliche Exekutive auf der Höhe der Zeit und hat deshalb das Vertrauen der Bürger nicht nur nicht verloren, sondern Anerkennung gewonnen. Plausibilität und Nachvollziehbarkeit sind entscheidend für die Akzeptanz der Einschränkungen; dazu sollten die Maßnahmen auch wirken und verhältnismäßig sein: Wenn drei Monate lang die Wirtschaft abgeschlossen wird, dann ist Deutschlands Wohlstand verloren.

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Und wie man es auch nicht machen sollte, sieht man im Handel: Woher stammen die mysteriösen 800 Quadratmeter, die ein Ladengeschäft maximal groß sein darf, um öffnen zu dürfen?

In der Nachbetrachtung könnte in einigen Monaten an dieser Stelle ein Kipppunkt ausgemacht werden im Verhältnis von Regierung und Regierten: Die Politik sieht das Volk in Massen in die großen Geschäfte strömen und dabei die mühsam antrainierten Verhaltensregeln im Konsumrausch vergessen. Die Grenze von 800 Quadratmetern markiert auch eine Vertrauensgrenze.

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„Wirtschaft wird in der Wirtschaft gemacht.“ Diese Parole eines Wirtschaftsministers der FDP hat noch nie gestimmt, selbst nicht in der Hochzeit der Deregulierung, Privatisierung und Liberalisierung von Anfang der 1990er Jahre bis zur Finanzkrise.

Erfolgreich interveniert

Allerdings hat diese Politik Zustände befördert, die uns jetzt belasten. Im Gesundheitssystem ist Personal auch deshalb die knappste Ressource, weil Rentabilität wichtiger war als Funktionalität. Das gilt insbesondere für die Altenpflege: Heimbetreiber kassieren zweistellige Renditen, während das Pflegepersonal – sofern überhaupt vorhanden – mit einem Niedriglohn auskommen muss.

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Das wird so nicht bleiben können. Und überhaupt ist neu zu klären, was wir unter staatlicher Daseinsvorsorge verstehen – und wie viel uns die wert ist.

Der Staat hat erfolgreich interveniert und die Pandemie vorerst in den Griff bekommen. Zur Stabilisierung des sozialen und wirtschaftlichen Lebens bedarf es jetzt eines Fahrplans durch die neue Normalität. Am Ende der Strecke wird die Politik den Branchen und Betrieben die Freiheit zum Geschäft zurückgeben.

Denn das erforderliche Wachstum inklusive der Steuereinnahmen, um den riesigen Schuldenberg abzutragen, erreicht man nicht mit der Dynamik von verstaatlichten Konzernen und mit einem schwachbrüstigen Mittelstand. Die Aufgabe des Staates ist es, optimale Bedingungen für einen Aufschwung zu schaffen.

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