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Leichter Eigentum erwerben. Laut Koalitionsvertrag will der Bund den Ländern eine flexiblere Gestaltung der Grunderwerbsteuer ermöglichen. Bisher ist aber nichts passiert.

© dpa/Axel Heimken

Hängepartie bei der Grunderwerbsteuer: Wie die Ampel sich selber ein Bein stellte

Im Koalitionsvertrag ist vereinbart, den Ländern mehr Freiraum für Steuersenkungen zu geben. Aber es tut sich nichts. Finanzminister Lindner will nun neuen Schwung in die Sache bringen

Vor einem Jahr ist Christian Lindner in die Offensive gegangen. Ein Eckpunktepapier sollte der erste Schritt zur Umsetzung eines Vorhabens sein, das sich SPD, Grüne und FDP im Koalitionsvertrag vorgenommen hatten. „Wir wollen den Ländern eine flexiblere Gestaltung der Grunderwerbsteuer z. B. durch einen Freibetrag ermöglichen, um den Erwerb selbstgenutzten Wohneigentums zu erleichtern“, hieß es da im November 2021.

Der zweite Satz zu dem Vorhaben im Koalitionsvertrag lautet: „Zur Gegenfinanzierung nutzen wir das Schließen von steuerlichen Schlupflöchern beim Immobilienerwerb von Konzernen.“ Und damit begann das Problem.

Das war allerdings noch nicht absehbar, als Lindner im Mai 2022 bei der Vorlage der Eckpunkte sagte, die Bundesregierung stehe nun „am Beginn eines Prozesses“. Ein Jahr ist seither vergangen – viel weiter ist die Sache jedoch nicht gediehen. Das Vorhaben einer Flexibilisierung bei der Grunderwerbsteuer dümpelt in einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe. Die Aussichten, dass es zumindest für Ersterwerber eine geringere Steuerbelastung geben wird, sind mau.

6,5
Das ist der Spitzensatz bei der Grunderwerbsteuer in Prozent.

Lindner will nun aber neuen Schwung in die Angelegenheit bringen. Die Bund-Länder-Arbeitsgruppe tagt weiterhin, wie ein Sprecher des Finanzministeriums dem Tagesspiegel sagte. Was die flexiblere Gestaltung betreffe, werde der Bund allerdings, „nachdem die Erörterungen mit den Ländern insoweit ohne eindeutiges Ergebnis abgeschlossen sind“, im nächsten Gesetzesentwurf, mit dem das Grunderwerbsteuergesetz geändert werden solle, einen Vorschlag unterbreiten.

Die Länder könnten sich dann im Bundesrat zu dem Vorschlag positionieren, ergänzte der Sprecher. Macht Lindner damit Dampf? Oder schiebt er nur den Schwarzen Peter weiter? Wie auch immer – die Länder werden unter Druck geraten.

Eine Flexibilisierung wurde bei der Grunderwerbsteuer schon einmal eingeführt. 2005 bekamen die Länder Autonomie beim Steuersatz. Das hat dazu geführt, dass dieser von einheitlich 3,5 Prozent zwischenzeitlich auf bis zu 6,5 Prozent gestiegen ist (nur Bayern hat nie erhöht). So floss in den vergangenen Jahren immer mehr Grunderwerbsteuer in die Länderkassen, begünstigt auch durch die massive Inflation bei den Immobilienpreisen. 2021 kamen so mehr als 18 Milliarden Euro zusammen, eine Verdreifachung binnen 15 Jahren.

Zurückgehende Einnahmen

Neuerdings gehen – wegen Kaufzurückhaltung angesichts überhöhter Preise und der steigenden Zinsen – die Einnahmen allerdings wieder zurück. Das Bundesfinanzministerium schätzt, dass die Länder in diesem Jahr auf Einnahmen von 16,9 Milliarden Euro kommen werden. Gleichzeitig wächst der Druck aus der Immobilienwirtschaft, der Kaufzurückhaltung mit geringeren Steuern entgegenzuwirken.

Weil Steuernachlässe erst möglich sind, wenn die Länder per Bundesgesetz eine Freibetragsmöglichkeit bekämen, ist zumindest Nordrhein-Westfalen erst einmal einen anderen Weg gegangen. Dort gibt es seit dem vorigen Jahr (beschlossen noch von der bis Mai 2022 regierenden schwarz-gelben Koalition) einen direkten Zuschuss von zwei Prozent der Kaufsumme (bis maximal 10.000 Euro) zum Erwerb selbst genutzter Immobilien. 400 Millionen Euro stellt das Land dafür bereit.

Zuschüsse als Ersatzlösung?

Hessens Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) hat unlängst mit Blick auf die Landtagswahl im Oktober einen Zuschuss in Höhe von 10.000 Euro pro Käufer und 5000 Euro pro Kind in Aussicht gestellt, und zwar beim Ersterwerb einer Immobilie. Doch ob sich auch weitere Länder für diese Ersatzlösung erwärmen, ist unsicher.

In der Bund-Länder-Arbeitsgruppe war und ist es jedenfalls die Linie nahezu aller Länder, dass die von der Ampel gewünschte Freibetragsregelung am Ende „aufkommensneutral“ ausfällt – also keine Steuerverluste für die Länderkassen entstehen. Die von der Ampel beschlossene Gegenfinanzierung über das Schließen von Steuerschlupflöchern ist allerdings nicht in Sicht.

Es geht dabei um „share deals“. Der Clou dabei: Grunderwerbsteuer muss erst gezahlt werden, wenn 90 Prozent oder mehr an einer Firma mit Grundstückbesitz übernommen werden. Die Möglichkeit, sich durch eine geringere Beteiligung von der Steuerzahlung zu befreien, nutzen vor allem große Immobilienunternehmen.

Gar keine Kompensation?

Die Mindereinnahmen der Länder sind dadurch nicht unbeträchtlich, Schätzungen überschreiten die Milliardenschwelle. Wie es in Länderkreisen heißt, würde ein Schließen dieses Steuerschlupflochs allerdings die Einnahmeausfälle durch eine breit wirkende Freibetragsregelung für Privatkäufer bei der Grunderwerbsteuer gar nicht kompensieren.

Parteiengegensätze kommen hinzu. FDP und Union wollen die Steuererleichterung für Haus- und Wohnungskäufer unbedingt und für alle. Im kürzlich bekannt gewordenen steuerpolitischen Programmpapier der CDU, verantwortet von Parteivize Jens Spahn, wird die Forderung bekräftigt. SPD und Grüne dagegen würden eher auf die finanzielle Situation der Käufer schauen, also Eigentumsbildung nur in der Mitte fördern, nicht dagegen bei Besserverdienern.

Der scheidende Berliner Finanzsenator Daniel Wesener (Grüne) etwa gehört zu den Skeptikern. Sein Sprecher sagte dem Tagesspiegel, dass von einer Freistellung von der Steuer bei Ersterwerb „vor allem Menschen mit höherem Einkommen profitieren“ würden. Zudem müsste das Land Berlin „jedes Jahr auf Steuern im mittleren dreistelligen Millionenbereich verzichten“.

Bei der Einschränkung der „share deals“ im Immobilienbereich wiederum würden SPD und Grüne gern härter rangehen, während Union und FDP keinen Anlass für weitere Eingriffe sehen. So hat sich die Ampel durch die Kopplung der Steuernachlässe beim Grunderwerb für Private und eine Gegenfinanzierung durch die Einschränkung von Steuervorteilen bei Großunternehmen schon im Koalitionsvertrag ein Bein gestellt. In Länderkreisen heißt es, die Koalition habe sich hier auf einen „Formelkompromiss“ verständigt mit dem Ergebnis, dass die Vereinbarung wohl folgenlos bleibe. Es sei alles leider sehr komplex.

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