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© dpa

Staatsetat: Hiebe nach allen Seiten

Bundesfinanzminister Peer Steinbrück verteidigt im Bundestag seinen Haushaltskurs – und beeindruckt dabei das Plenum. Obwohl oder vielleicht gerade weil er zwischen der Präsentation der Finanzziele des Bundes auch Zeit für eine Abrechnung mit seinen politischen Gegnern findet.

Von Antje Sirleschtov

Berlin - Wenn es noch eines Beweises für den Ruf des Finanzministers als Oberlehrer bedurft hätte: Am Dienstag hat Peer Steinbrück ihn geliefert. Fast eine Stunde dauerte sein Seminar in Sachen Finanzmärkte, Globalisierung, Haushaltspolitik und Gerechtigkeit vor dem Bundestag. Und alle haben mitgemacht im hohen Haus. Fraktionsübergreifende Konzentration. Selbst, als Steinbrück mitten in seinem Vortrag die Fraktionschefin der Grünen, Renate Künast, für einen flapsigen Zwischenruf mit der Frage zur Ordnung rief, sie nehme die Bedrohung der deutschen Wirtschaft durch die internationale Finanzkrise wohl nicht ernst, regte sich kaum etwas in den Reihen der Opposition. Wie in einer Schulklasse, die einen Störenfried im eigenen Lager abstrafen will.

Steinbrück – SPD-Ökonom und Agenda-Fan – nutzte den Beginn der Etatberatungen des Bundestages ausgiebig, um abzurechnen mit allen politischen Gegnern, die er in den drei Jahren seiner Amtszeit angesammelt hat. Einmal quer durch den Plenarsaal hindurch also. Gnadenlos hielt er der Linkspartei vor, sie verfolge eine Innenpolitik, die Menschen zu willen- und kraftlosen Opfern und damit zu Bittstellern des Staates macht. Ohne Rücksicht auf das Regierungsbündnis warf er der CSU vor, im Wahlkampf in Bayern den Leuten bewusst Lügen über die Auswirkungen der Pendlerpauschale zu erzählen. Spitz zeichnete er ein düsteres Bild der sozialen Ungerechtigkeiten, die in der Zeit vor Gerhard Schröders „Agenda 2010“ geherrscht habe und konfrontierte seine eigenen SPD-Genossen mit deren Lamento, es gehe derzeit in Deutschland „ungerecht“ zu. Und auch FDP und Reformer im Unionslager bekamen ihr Fett weg. Die Staatsquote in Deutschland, sagte Steinbrück, sei heute niedriger als in Großbritannien, was ihn zu der Frage an Liberale und Reformer veranlasste: „Was wollt ihr eigentlich noch?“

Folgt man dem Sozialdemokraten Steinbrück, dann befindet sich das Boot namens Deutschland, in dem wir alle sitzen, auf einer endlosen Flusstour, die durch reißende Strudel und Stromschnellen führt. Globalisierung nannte der Minister diesen Fluss und mahnte, noch nicht einmal den Versuch zu starten, das Boot mit Konjunkturprogrammen oder staatlichen Hilfen in den Stromschnellen vor dem Untergang bewahren zu wollen. „Alles nur verbranntes Steuergeld“, sagte er. Was helfe, sei einzig und allein, die Haushalte zu konsolidieren, um künftig mehr Steuergeld für Bildung und Wissenschaft ausgeben zu können statt für Zinsen. Und eine solche Leistung kann nach Steinbrücks Ansicht „nur eine große Koalition“ vollbringen – seine Wunschkoalition auch nach 2009.

Ganz klar, dass weder Liberale noch Grüne und schon gar nicht die Linkspartei dieser Schlussfolgerung des SPD-Finanzministers folgen mochten. Auch und vielleicht sogar gerade weil sie dem Vortrag des Ministers in Sachen weltweiter Verflechtung des Landes folgen konnten, teilen sie dessen Politik nicht. Auch sie machten ihrem Ruf alle Ehre: Die FDP forderte noch mehr Sparhaushalte ein, die Grünen vermissten Nachhaltigkeit in der Finanzierung und die Linken mahnten, es gehe ungerecht im Lande zu.

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