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Kenneth Roth, Direktor von Human Rights Watch

© dpa

Human Rights Watch zum NSA-Skandal: „Wie eine Videokamera im Schlafzimmer“

Human Rights Watch nennt Obamas Pläne in der Abhöraffäre unzureichend – und fordert vom deutschen Außenminister Steinmeier offene Kritik an Russlands Präsidenten. Denn Putin reagiert offenbar doch auf Druck.

Nach der Rede von US-Präsident Barack Obama zum Abhörskandal haben Menschenrechtler die angekündigte Reform als unzureichend kritisiert. „Obama liegt immer noch falsch“, sagte Kenneth Roth, geschäftsführender Direktor von Human Rights Watch, am Dienstag bei der Vorstellung des Jahresberichts der Organisation in Berlin. „Die Praxis der massenhaften Sammlung privater Daten wird fortgesetzt.“ Obama hatte in seiner Rede am vergangenen Freitag Korrekturen an den Spähprogrammen angekündigt.

Zweifel am Sinn der Überwachungsmaßnahmen

Der einzige Unterschied sei, dass künftig die Informationen nicht in einem Regierungscomputer, sondern extern gelagert würden. Es gebe keine Hinweise darauf, dass das Recht auf Privatsphäre auch von Nicht-US-Bürgern künftig anerkannt würde, betonte Roth. Außerdem zog er den Sinn des Überwachungsprogramms insgesamt in Zweifel. „Die US-Regierung war bisher nicht in der Lage zu beweisen, dass die massenhafte Sammlung von Daten notwendig war, um einen einzigen Terroranschlag zu stoppen.“ Um deutlich zu machen, wie weit der Abhörskandal in die Rechte einzelner Bürger eingreift, wählte Roth einen Vergleich: „Das ist so, als ob die Regierung Videokameras in Ihrem Schlafzimmer installiert, das Material auf einem Regierungscomputer speichert und dann sagt: Macht euch keine Sorgen, wir sehen uns das nicht an.“

Human Rights Watch befasst sich in dem Jahresbericht mit der Menschenrechtssituation in 90 Staaten. Dabei beobachtete die Organisation gleich in mehreren Ländern, dass sich eine Regierung, die sich – ob mit oder ohne Legitimation durch Wahlen – darauf beruft, die Mehrheit zu vertreten, nicht an demokratische Grundsätze hält. Als ein Beispiel dafür nennen die Menschenrechtler Ägypten, wo erst die Muslimbrüder und dann das Militär die Minderheit unterdrückten. „Autoritäre Regierungen haben gelernt, dass es möglich ist, die Form, aber nicht den Inhalt der Demokratie zu übernehmen“, heißt es in dem Bericht. Zu den Ländern, in denen eine Regierung vorgibt, für die Mehrheit zu sprechen, und dabei die Menschenrechte missachtet, zählt Human Rights Watch auch die Türkei mit ihrer Reaktion auf die Proteste im Gezi-Park sowie Birma, die Ukraine und Russland.

Verschlechterung der Menschenrechtslage in Russland nach Sotschi erwartet

Kurz vor dem Beginn der Olympischen Spiele in Sotschi warnte Human Rights Watch vor einer weiteren Einschränkung der Freiheitsrechte in Russland. So geht die Organisation nach Angaben ihrer Moskauer Mitarbeiterin Tanja Lokschina davon aus, dass sich nach dem Ende der Spiele die Menschenrechtslage in Russland weiter verschlimmert: „Sobald die Gäste wieder nach Hause gefahren sind, werden die Daumenschrauben noch stärker angezogen.“ Zu erwarten seien neue „Angriffe auf die Zivilgesellschaft“. In die Duma wurden in der vergangenen Woche neue Anti-Terror-Gesetze eingebracht. Diese sollen auch die Überwachung des Internets weiter verstärken, die in Russland schon jetzt weit über das hinausgeht, was amerikanische Dienste machen.

HRW-Chef Roth: Druck auf Putin zeigt Wirkung

Von Deutschland wünscht sich Roth klare Worte in Richtung Moskau. Der Direktor von Human Rights Watch lobte die Kritik von Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) an den neuen restriktiven Gesetzen in der Ukraine als „bedeutsamen Schritt“, wies aber darauf hin, dass dieser in seiner ersten Amtszeit als Außenminister nur ungern ähnliche Entwicklungen in Russland kritisiert habe. Damals habe man gedacht, der richtige Umgang mit Russland bestehe darin, sich bei Präsident Wladimir Putin einzuschmeicheln, und alles andere würde sich dann schon entwickeln. Doch die jüngsten russischen Zugeständnisse – die Freilassung des Kremlkritikers Michail Chodorkowski oder der Frauen von Pussy Riot – hätten gezeigt, dass Putin auf öffentlichen Druck reagiere. „Ich hoffe nun, dass Steinmeier sich nach der Kritik an den von Putin übernommenen Maßnahmen in der Ukraine genauso deutlich gegenüber Russland äußern wird“, sagte Roth.

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