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Im BLICK: Online ist offline

Christian Tretbar erklärt, warum die deutschen Parteien das Internet scheuen.

Am Ende eines Wahlkampfes, der mal zum Internetwahlkampf werden sollte, wird wohl nur ein „Yeah“ bleiben. Genau das skandierten mehrere Menschen während verschiedener Auftritte von Bundeskanzlerin Angela Merkel. Jede zweite Aussage der Kanzlerin wurde mit einem lautstarken „Yeah“ quittiert. Merkel ignorierte die Rufe.

Flashmob, Blitzauflauf, nennt man diese Zusammenkünfte, die über verschiedene Blogs im Netz organisiert werden. Die „Yeah, Yeah, Yeahs“ werden wohl als einziges echtes Online-Phänomen in die Geschichte des Wahlkampfes 09 eingehen, eines, das aus dem Netz selbst und nicht von den Strategen der Parteien gekommen ist. Zwei Studien, vom Bundesverband Digitale Wirtschaft sowie der Universität Hohenheim, kommen zu dem Schluss, dass die Politik die Potenziale des Netzes in diesem Wahlkampf noch nicht ausgenutzt hat. Auch die Politikwissenschaftlerin Andrea Römmele von der Universität Bruchsal sieht noch Steigerungsbedarf. Gleichzeitig warnt sie vor Vergleichen mit Barack Obama.

Zu Recht. Denn natürlich war dessen Präsidentschaftskampagne in Sachen Online wegweisend – nur nicht kopierbar. Deutsche Parteien ticken digital noch anders. Und das wird wohl noch eine Zeit so bleiben, weil allein demografisch keine Notwendigkeit zur Veränderung besteht.

Denn die Parteien stecken in einem Dilemma. Bevölkerungsschichten, für die das Netz und dessen Mittel eine Selbstverständlichkeit sind, mögen wichtig und wahlrelevant sein, wahlentscheidend sind sie nicht. Die Parteien gewinnen Wahlen nicht mit internetaffinen Jungwählern, sondern mit Menschen, die sich zwar für das Netz interessieren, es auch nutzen, für die es aber nur eines von vielen Medien ist – genau diese Schicht wird in den nächsten Jahren weiter die Masse ausmachen. Schon heute ist die größte Wählergruppe die zwischen 40 und 49 Jahren (rund 20 Prozent), dicht gefolgt von den über 70-Jährigen (rund 18 Prozent). Die Nutzer von sozialen Netzwerken sind dagegen zu rund zwei Dritteln zwischen 18 und 24 Jahre alt. Verlieren dürfen Parteien aber weder die einen noch die anderen. So kommt es, dass beide Kampagnen nebenher existieren: offline und online. Der Schwerpunkt liegt auf dem Straßenwahlkampf und auf klassischen Medien.

Digital getan hat sich dennoch etwas in diesem Wahlkampf. Soziale Netzwerke wie StudiVZ und Facebook wurden als Instrumente genutzt. Das ist sicher noch ausbaufähig. Aber wichtiger als die reine Quantität ist die Frage der Verknüpfung. Online-Wahlkampf ist noch immer etwas für Spezialisten. Um aber eine Verzahnung zwischen Straße und Netz herzustellen, müssen Politik und ihre Planer eines entwickeln: Vertrauen ins Netz. Es ist offener, schneller und verästelter als klassische Kommunikationsmittel. Vor allem aber hat es eine viel stärkere Eigendynamik. Das hat Vorteile, weil sich schnell Menschen mobilisieren lassen. Nur ginge damit auch Kontrollverlust, gar eine gewisse Entblößung einher – und nichts fürchten Kampagnenmanager mehr als das. Kein Wunder, dass sich das Netz seinen Weg in die Politik derzeit eher selbst sucht.

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