zum Hauptinhalt

Im BLICK: Immun auch ohne Immunität

Sexskandal: Berlusconi muss vor Gericht.“ Dass Mitte dieser Woche fast alle deutschen Zeitungen ihre ersten Seiten mit dieser Nachricht aufmachten, enthielt über das Faktum hinaus eine weitere Botschaft: Jetzt ist er am Ende.

Sexskandal: Berlusconi muss vor Gericht.“ Dass Mitte dieser Woche fast alle deutschen Zeitungen ihre ersten Seiten mit dieser Nachricht aufmachten, enthielt über das Faktum hinaus eine weitere Botschaft: Jetzt ist er am Ende. Das aber ist alles andere als ausgemacht. Der Premier hat gerade erklärt, dass er sich mit allen Mitteln wehren wird – und da er eben nicht irgendein Angeklagter ist, sondern Italiens Regierungschef, hat er ein paar Mittel mehr als andere Bürger.

Dass die Justiz überhaupt gegen ihn vorgehen kann, liegt daran, dass es Immunität für italienische Abgeordnete nicht gibt. Nicht mehr. Das Parlament schaffte sie selbst Ende 1993 ab, als weite Teile der politischen Elite in die Korruptionsermittlungen der Staatsanwälte des „Mani-pulite“-Pools verwickelt wurden, in denen Italiens Erste Republik unterging – etwa ein Drittel aller Abgeordneten musste damals vor dem Untersuchungsrichter erscheinen. Alle Versuche Berlusconis, die Abschaffung der Immunität rückgängig zu machen, sind bisher gescheitert, erst im Herbst erneut am Verfassungsgericht – das er am Samstag ebenfalls prompt zu reformieren drohte. Jetzt will er es wieder versuchen und dabei zugleich die Vorlage endlich durchdrücken, die die Veröffentlichung von Abhörprotokollen verbietet. Für alle Fälle bemühen sich Berlusconis Anwälte derzeit, eine Quasi-Immunität Berlusconis für den aktuellen Fall um die minderjährige Prostituierte „Ruby“ zu erreichen: Als der Premier im Mai 2010 im Mailänder Polizeipräsidium anrief, um Ruby rauszupauken, so argumentieren sie, habe er nicht, wie die Staatsanwälte behaupten, „in seiner Eigenschaft“ als Premier Druck auf die Beamten gemacht, sie also genötigt, sondern „in funzione“, in pflichtgemäßer Ausübung seines Amts. Schließlich habe Berlusconi geglaubt, das Mädchen sei Mubaraks Nichte, und außenpolitische Verwicklungen mit Kairo abwenden wollen.

Selbst wenn er mit dieser Strategie im aktuellen Fall „Prostitution Minderjähriger und Amtsmissbrauch“ Erfolg haben sollte: Schon am 28. Februar und dann am 5. und 11. März steht der Unternehmer Berlusconi vor Gericht, wegen betrügerischen Verkaufs von Fernsehrechten und Korruption. Der Neubeginn dieser Prozesse wurde überhaupt erst durch das Nein der Verfassungsrichter möglich. Aber auch diesen Terminen kann er sich grundsätzlich durch „rechtmäßige Verhinderungsgründe“ entziehen. Dazu gehören Gipfeltreffen, auf denen er gebraucht wird, aber auch eine Kabinettssitzung, die seine Anwesenheit in Rom dringend erforderlich macht. Etliche Verfahren um das Geschäftsgebaren Berlusconis haben sich früher in Luft aufgelöst, weil Gesetze der Regierung Berlusconi die entsprechenden Straftatbestände abschafften oder die Verjährungsfrist drückten.

So nah ist das Ende also nicht. Überhaupt sieht es nicht danach aus, als ob die Justiz dabei die Rolle spielen könnte, die man ihr außerhalb Italiens zumisst. Verfassung und demokratische Spielregeln funktionieren so lange, wie sie akzeptiert werden. Gegen jemanden, der nicht nur entschlossen ist, sich darüber hinwegzusetzen, sondern auch fast unermessliche Mittel dazu hat – Geld, Medienmacht, eine Regierung – sind diese Regeln machtlos.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false