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Politik: Insellösung für Europa

Fischer dringt in Ankara auf Fortschritte im Zypernkonflikt – Erdogan hofft auf Hilfe von Annan

Von Thomas Seibert, Ankara

und Gerd Höhler, Athen

Die Probleme sind noch immer dieselben, doch die Dynamik ist neu, und die Prognose so positiv wie nie: So lässt sich der Besuch von Außenminister Joschka Fischer in der Türkei zusammenfassen. Zwar hatte Fischer in Ankara die üblichen europäischen Forderungen an die Türkei vorzutragen: weitere Umsetzung der Reformen, Verbesserung der Menschenrechte, Freilassung der Kurdenpolitikerin Leyla Zana und einen Durchbruch in der Zypernfrage. Doch anders als früher werden diese Forderungen in Ankara nicht mehr als destruktive Kritik aufgefasst, sondern als gute Ratschläge vom besten Freund – zumindest wenn sie aus Berlin kommen. Mit ihrem Einsatz für die türkische EU-Bewerbung hat die Bundesregierung das Vertrauen der Regierung in Ankara erworben, die wiederum mit ihrem Reformeifer die deutsche Seite in ihrem Engagement bestärkt.

„So offen, wie man unter Freunden spricht“, habe er sich mit dem türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan ausgetauscht, sagte Fischer. Ebenso wie bei seinem Amtskollegen Abdullah Gül am Vortag forderte er einen Durchbruch in der Zypernfrage sowie die zügige Umsetzung der beschlossenen Reformen, würdigte aber auch die erreichten Fortschritte. „Die Regierung Erdogan hat eine beeindruckende Wegstrecke absolviert“, sagte Fischer. „Wenn diese Dynamik aufrechterhalten bleibt, wenn es auf Zypern einen Durchbruch gibt und wenn die Umsetzung bei den wichtigen Fragen vorangeht, dann werden sich die Dinge sehr positiv entwickeln.“ Erdogan warnte, ein Aufschub der Beitrittsgespräche würde in der Türkei „mehr als Enttäuschung“ auslösen.

Im Vordergrund der Beratungen stand angesichts des bevorstehenden Treffens von Erdogan mit UN-Generalsekretär Kofi Annan am Samstag in Davos die Zypernfrage, die die Europäer bis zum Beitritt der Mittelmeerinsel zur EU am 1. Mai gelöst sehen wollen. Ein türkischer Beitrag zum Durchbruch auf Zypern werde ein „positives Entscheidungsumfeld“ für den EU-Beschluss über Aufnahme oder Vertagung der Beitrittsverhandlungen mit der Türkei schaffen, drängte Fischer. Diese Dringlichkeit werde in Ankara durchaus verstanden, resümierte er. Statt wütend von einem unzulässigen Junktim zu sprechen, kündigte die türkische Regierung am Donnerstag tatsächlich an, dass Erdogan den UN-Generalsekretär um eine Wiederaufnahme der vor zehn Monaten auf Eis gelegten Verhandlungen über seinen Friedensplan für Zypern ersuchen werde. Fischer will sich direkt nach seiner Rückkehr in Berlin mit dem griechischen Außenminister Georgios Papandreou treffen. Auch bei diesem Gespräch dürfte es um die Zypernfrage gehen.

Griechenland und die Türkei bemühen sich aber auch darüber hinaus um Annäherung. Papandreou hat angekündigt, nach einem Wahlsieg seiner Pasok-Partei Abrüstungsverhandlungen mit der Türkei beginnen zu wollen. Das Echo in Ankara war positiv. Außenminister Gül sagte: „Der Vorschlag zeigt gute Absichten, und wir teilen diese guten Absichten.“ Die beiden „Erbfeinde“ Griechenland und Türkei, die noch Anfang 1996 wegen des Streits um zwei Felseninseln in der Ägäis an den Rand eines Krieges gerieten, haben sich seit Papandreous Amtsantritt als Außenminister vor fünf Jahren deutlich angenähert. Athen und Ankara schlossen inzwischen mehr als ein Dutzend Kooperationsabkommen. Wichtige Konflikte blieben aber bisher ungelöst, darunter der Streit um die Hoheitszonen im Luftraum über der Ägäis. Weil Griechenland hier eine Zehnmeilenzone beansprucht, die Türkei aber nur sechs Meilen anerkennt, kommt es immer wieder zu riskanten Verfolgungsjagden griechischer und türkischer Kampfflugzeuge. Mit rund fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) geben beide Staaten mehr Geld für ihre Streitkräfte aus als jedes andere Nato-Land. Jetzt setzt aber ein Umdenken ein. Griechenland beschloss, die Rüstungsausgaben zu kürzen. Auch in der Türkei wird angesichts der hohen Staatsschulden über Einsparungen im Militärhaushalt diskutiert.

„Die deutsche Unterstützung wird geschätzt“, sagte Fischer nun in Ankara. Seit seinem Besuch vor zwei Monaten hat die türkische Regierung Gesetze zur Anhebung der Strafen für Folterer und zur Entschädigung von zivilen Opfern des Krieges mit der Kurdenpartei PKK auf den Weg gebracht und den Annan-Plan als Verhandlungsgrundlage für das Zypernproblem anerkannt. Heikel blieb allerdings die Frage nach Leyla Zana, die seit 1994 trotz einer Rüge des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofs hinter Gittern sitzt.

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