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Interview: "Merkel opfert ihre Klimaziele"

Bis vor kurzem lobte Bundesumweltminister Sigmar Gabriel die Kanzlerin noch für ihre Erfolge beim Klimaschutz.

Beginnt mit dem Scheitern des Gesetzes zur Abscheidung, dem Transport und der unterirdischen Lagerung von Kohlendioxid (CCS) endgültig der Wahlkampf?


Die Zeiten, als die Kanzlerin ein Interesse daran hatte, ihre klima- und energiepolitischen Vorstellungen in der eigenen Partei durchzusetzen, sind offenbar vorbei. Was wir jetzt erleben, ist ein Stück aus dem Tollhaus – und das nicht nur beim Thema CO2-Abspeicherung.

Wo noch?

Zum Beispiel beim Energieeffizienzgesetz. Mit den EU-Regierungschefs hat die Bundeskanzlerin verabredet, die Energieeffizienz zu steigern, ihr Wirtschaftsminister aber tut genau das Gegenteil. An ihm ist die Umsetzung der europäischen Energiedienstleistungsrichtlinie gescheitert. Damit brockt er uns eine Klage der EU-Kommission ein. Dabei wäre es doch nur angemessen, dass der Staat von den energieintensiven Unternehmen, die er Jahr für Jahr mit Steuernachlässen in Millionenhöhe unterstützt, wenigstens ein Energiemanagementsystem verlangt. Genau dagegen sperrt sich der Wirtschaftsminister. Daran zeigt sich: Reden ist das eine, aber in der eigenen Partei dann auch Führung zeigen und das international Erreichte zu Hause umsetzen ist etwas anderes. Deshalb habe ich etwas zugespitzt gesagt: Frau Merkel muss nicht dem amerikanischen Präsidenten den Klimaschutz erklären, sondern zunächst einmal ihrer eigenen Partei und Fraktion.

Kann Angela Merkel denn Barack Obama den Klimaschutz erklären?

Wenn man etwas erklären will, dann wird es einem nur abgekauft, wenn man es selber auch tut. Wenn Deutschland bei der Energieeffizienz nichts tut und dies dem freien Spiel der Kräfte überlässt, dann heißt das nichts anderes, als dass Frau Merkel bereit ist, ihre Klimaschutzziele der neoliberalen Politik ihres Wirtschaftsministers zu opfern. Die Kanzlerin muss in ihrer eigenen Partei dafür sorgen, dass man sich auf Zusagen verlassen kann. So wie bei CCS und Energieeffizienz macht sie Deutschland international jedenfalls nicht glaubwürdiger.

Woran ist das CCS-Gesetz denn in der Union gescheitert?

Wer die Kohle nicht sauberer machen will, hat zwei Alternativen. Die erste ist: Er setzt auf die Atomenergie, was die Union ja tut. Das bedeutet aber, dass die Menge an Atommüll vergrößert und uns die Risiken dieser Technologie noch viel länger zugemutet werden. Die zweite Alternative, falls Kohle weiter genutzt werden soll, sind restriktive Regeln. Das bedeutet: Effizienzregeln im Immissionsschutzrecht, um die alten Kohlekraftwerke vom Netz zu bekommen. Dann dürfen Kohlekraftwerke nur noch in Verbindung mit der Wärmenutzung, also der Kraft-Wärme-Kopplung, gebaut werden. Mein Verdacht ist, dass die Union nach der Wahl ein CCS-Gesetz durch den Bundestag bringen will, das weit geringere Umweltstandards hat als das jetzt vorliegende. So erkläre ich mir auch die milden Kommentare aus Teilen der Energiewirtschaft. Das steckt hinter diesem Manöver.

Sigmar Gabriel ist seit 2005 Bundesumweltminister.

Das Gespräch führte Dagmar Dehmer.

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