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Bundeskanzler Olaf Scholz (M, SPD), Dietmar Woidke (l, SPD), Ministerpräsident von Brandenburg, und Peter Tschentscher (r, SPD), Erster Bürgermeister von Hamburg, nehmen an der Ministerpräsidentenkonferenz teil.

© dpa/Kay Nietfeld

Erst Irritationen, dann Einigkeit: Was Bund und Länder beschlossen haben

49-Euro-Ticket, Härtefallfonds bei Energiepreisen, mehr Geld für Flüchtlinge. Der Bund-Länder-Gipfel beginnt mit einem Eklat, endet aber einigermaßen harmonisch.

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Man sollte nie zu früh zufrieden sein. Zwar klang in den Äußerungen einiger Ministerpräsidenten am Mittwoch vor dem Treffen mit Kanzler Olaf Scholz (SPD) und seinem Kabinett durchaus noch an, dass es offene, strittige Punkte geben werde beim Verhandeln über Energiepreisbremsen, Wohngeldreform, 49-Euro-Ticket, Flüchtlinge und einige andere Themen, bei denen sich Bund und Länder über die Finanzierung in den kommenden Monaten und Jahren einigen wollten.

Aber dass der nordrhein-westfälische Regierungschef Hendrik Wüst (CDU) auch durchblicken ließ, man habe diese Runde – im Gegensatz zum gescheiterten Treffen am 4. Oktober – gut vorbereitet, ließ sich als Signal einer weitgehend unkomplizierten Einigung deuten. Dann aber musste der aktuelle Vorsitzende der Ministerpräsidentenkonferenz (MPK), der Niedersachse Stephan Weil (SPD) doch noch mit seinem Parteifreund im Kanzleramt Kontakt aufnehmen.

Der Grund: Die Bundesregierung hatte – nach Darstellung der Länderseite – überraschend und unabgesprochen in einem Eckpunktepapier zu den Entlastungsmaßnahmen bei Gas und Strom vermerkt, die vor allem von der MPK verlangte Härtefallregelung zugunsten kleiner und mittelgroßer Unternehmen sei von den Ländern zur Hälfte mitzufinanzieren.

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Eine Milliarde Euro wären das an zusätzlicher Belastung für die Länder – das mühsam ausverhandelte Finanztableau wackelte. Weil und Wüst sprachen von „Irritationen“, die ausgeräumt werden müssten. „Fifty-fifty stößt bei uns nicht auf Zustimmung“, sagte Weil. So fuhren sie irritiert zu Scholz.

Offenkundig wurde die Verstimmung schnell ausgeräumt. Früher als erwartet gingen der Kanzler, MPK-Chef Weil und MPK-Vize Wüst vor die Presse. Nur gut zwei Stunden - dann stand eine „unter dem Strich vertretbare Gesamteinigung“, wie Weil es formulierte. Wüst sagte, aus Sicht der Länder „hätte es bessere Lösungen geben können“. Aber es herrsche nun deutlich mehr Klarheit. Scholz nahm es stoisch hin - immerhin ließen die beiden Ministerpräsidenten durchblicken, dass sie weniger erreicht hatten als gewünscht.

Klar ist nun, dass es bald ein „Deutschlandticket“ im öffentlichen Nahverkehr geben soll - als Nachfolger des Neun-Euro-Tickets, wenn auch in anderer Form. Das Abo dieses Angebots soll 49 Euro im Monat kosten - ausdrücklich ist im Beschlusspapier aber von einem „Einführungspreis“ die Rede. Denn nicht wenige Landespolitiker halten den Betrag für zu gering, um ein kostendeckendes Angebot zumindest außerhalb von Städten und Ballungsräumen etablieren zu können. Die Länder befürchteten, dass ihnen durch das verbilligte Ticket vor allem im ländlichen Raum das Geld fehlen wird.

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Start des 49-Euro-Tickets ist unklar

Die Einigung läuft nun darauf hinaus, dass der Bund ab 2023 jährlich 1,5 Milliarden Euro zum Verlustausgleich beiträgt. Auch die Länder zahlen so viel. Zudem überweist der Bund den Ländern zusätzlich schon von diesem Jahr an eine Milliarde Euro für den ÖPNV. Wann das „Deutschlandticket“ startet, ist noch unklar. Beschlossen wurde aber, dass Bund und Länder Ende 2024 über dessen weitere Entwicklung reden werden.

Da die Länder wegen Putins Krieg eine höhere Zahl von Geflüchteten erwarten, war ihnen besonders wichtig, hier zusätzliche Bundesmittel zu bekommen - vor allem für ihre Kommunen. Scholz & Co. sagten nun zu, für Ukraine-Flüchtlinge im kommenden Jahr 1,5 Milliarden Euro zuzuschießen und in diesem Jahr für alle Geflüchteten nochmals 1,5 Milliarden. Zusätzlich wird es ab 2023 eine jährliche „flüchtlingsbezogene Pauschale“ von 1,25 Milliarden Euro geben. Zu Ostern soll es aber schon wieder neue Gespräche geben - auf der Basis der Flüchtlingszahlen im Winter.

Nach gut zweieinhalb Stunden geht es zur Pressekonferenz: Bundeskanzler Olaf Scholz, der niedersächsische Regierungschef Stephan Weil (links) und Hendrik Wüst, Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen (rechts). 
Nach gut zweieinhalb Stunden geht es zur Pressekonferenz: Bundeskanzler Olaf Scholz, der niedersächsische Regierungschef Stephan Weil (links) und Hendrik Wüst, Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen (rechts). 

© Foto: dpa/Kay Nietfeld

Die Gaspreisbremse ist das Herzstück im 200-Milliarden-Paket der Bundesregierung – kam aber bei den Ministerpräsidenten nicht ganz so gut an. Ihnen missfällt die „Winterlücke“, die zwei Monate zwischen Dezember und März, in denen es keine Entlastungen geben sollte. Den Start zum 1. März 2023 halten die Länderchefs für zu spät - auch nach dem Gespräch mit Scholz. Sie fürchten Ärger in der Bevölkerung. Man gebe dem Bund hier einen „guten Rat“, sagte Weil. Der kam vorab nur halb entgegen: „Eine Rückwirkung zum 1. Februar 2023 wird angestrebt“, heißt es im Abschlusspapier.

Komplizierte Gaspreisbremse

Noch vor der Runde mit der MPK verabschiedete das Ampel-Kabinett die Soforthilfen für Dezember. Für einen Monat sollen die Abschläge für Gas und Fernwärme von Privathaushalten komplett übernommen werden. Es sei „ein ganz wichtiger erster Schritt“, sagte Wirtschaftsminister Robert Habeck.

Deutlich komplizierter wird die eigentliche Bremse. Der Bund will sich eng an die Vorschläge der Expertenkommission halten, die vorgeschlagen hatte, ein Grundkontingent von 80 Prozent des Vorjahresverbrauchs bei einem Gaspreis von zwölf Cent pro Kilowattstunde zu deckeln. Das entspricht deutlich mehr als den Preisen im vergangenen Jahr, aber auch deutlich weniger als die im Schnitt 21 Cent pro Kilowattstunde, die Neukunden aktuell zahlen müssen.

Den Marktpreis müssten Kunden nur für Bedarfe jenseits der Grundkontingente zahlen – ein Anreiz, um Gas einzusparen. Verrechnen sollen die komplizierten Abschläge die rund 1500 Energieversorger und Stadtwerke im Land.

Das Treffen war sehr gut vorbereitet. Wir haken uns unter und lösen Probleme

Olaf Scholz, Bundeskanzler

Bereits zum Jahreswechsel soll die Strompreisbremse von 40 Cent je Kilowattstunde kommen. „Eine gute Verhandlungsgrundlage“, lobte Wüst. Doch aus der Energiewirtschaft kommt Kritik: „Die Strompreisbremse, die genauso komplex wie die Gas- und Wärmepreisbremse ist, bereits zum 1. Januar 2023, also zwei Monate früher beginnen zu lassen, geht nicht. Diese Ankündigung hat bei denen, die es umsetzen sollen, helles Entsetzen ausgelöst“, sagte Ingbert Liebing, Hauptgeschäftsführer des Verbands kommunaler Unternehmen.

Zwölf Milliarden für Härtefälle

Ein Härtefallfonds soll dann helfen, wenn die Energiepreisbremsen nicht ausreichen oder gar nicht gelten. Der Bund wird dafür zwölf Milliarden Euro bereitstellen. Acht Milliarden davon sind für Kliniken und Pflegeeinrichtungen vorgesehen, wo das Sparen beim Heizen Probleme bereitet.

Ebenfalls von einer Härtefallregelung sollen Verbraucher profitieren, die mit Öl und Pellets heizen und wegen der auch hier höheren Preise „finanziell stark überfordert“ sind, wie es im Beschluss heißt. Drittens - und das war der Anlass für die „Irritationen“ - soll es die von den Ländern geforderte Härtefallregelung für kleine und mittlere Unternehmen geben. Der Bund ist bereit, eine Milliarde bereitzustellen, die Länder sollen Antragstellung und Abwicklung übernehmen.

Methode Scholz? Kurz vor der Runde mit den Länderchefs überraschte das Kanzleramt mit neuen Vorschlägen.
Methode Scholz? Kurz vor der Runde mit den Länderchefs überraschte das Kanzleramt mit neuen Vorschlägen.

© dpa/Kay Nietfeld

Auch bei der geplanten Wohngeldreform samt Heizkostenzuschuss hatten sich die Länder Zugeständnisse des Bundes gewünscht - sie haben sie aber nicht bekommen. Weil betonte zwar, dass die Zahl der Anträge deutlich zunehmen werde und sprach von einem „Stau in den Ämtern“. Aber der Bund blieb stur und war zu keinem finanziellen Entgegenkommen bereit.

Dem von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) auf den Weg gebrachten Inflationsausgleichsgesetz, das Kaufkraftverluste bei der Einkommensteuer berücksichtigen soll, stimmten die Länder am Mittwoch prinzipiell zu. Weil deutete allerdings nach dem Treffen an, dass es hier noch zu Diskussionen kommen könnte. Er verband das mit dem Hinweis darauf, dass einige Länder im kommenden Jahr möglicherweise mehr Schulden aufnehmen müssten.

Lindner will dagegen die Schuldenbremse wieder einhalten und plant daher nicht mehr, auch für das kommende Jahr eine finanzielle Notlage zu erklären. Genau diese Erklärung aber hätten einige Länder gern, weil sie sonst Probleme haben könnten, Kredite über die Schuldengrenze hinaus aufzunehmen.

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