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Isaf-Schutztruppe: Sie werden zu Feinden

Das Vorgehen der internationalen Truppe in Afghanistan steht in der Kritik. Bei Luftangriffen werden immer wieder Zivilisten getötet.

Ob Nato-Soldaten oder Truppen der US-geführten „Operation Enduring Freedom“ (OEF) – das macht für Afghanen keinen Unterschied. „Für die Menschen sind inzwischen alle ausländischen Soldaten Besatzer“, sagte der Mitarbeiter einer internationalen Hilfsorganisation am Sonntag . „Sie gehen davon aus, dass die Soldaten hier sind, um sie zu bekämpfen“. Dass wie an diesem Wochenende immer wieder Zivilsten bei Luftangriffen getötet werden, verschlimmert die Lage aus seiner Sicht mehr und mehr.

Was in der Nacht zum Samstag genau passiert ist und wie viele Menschen getötet worden sind, darüber gehen die Angaben auseinander. Offenbar war im Bezirk Gereschk in der südlichen Provinz Helmand ein Konvoi von amerikanischen und afghanischen Soldaten angegriffen worden. Daraufhin wurde das Dorf Hyderabad beschossen und aus der Luft bombardiert. Afghanische Behörden berichteten zunächst von 130 Toten, unter ihnen mindestens 30 Zivilisten. Am Sonntag sprach Bezirkschef Dor Alischah von 45 zivilen Opfern und 62 toten Talibankämpfern. Das US-Militär dagegen sprach von „einigen Zivilisten“, die getötet worden seien. Eine Isaf-Sprecherin sagte, ihr lägen keine Erkenntnisse vor, dass derart viele Zivilisten getötet worden seien.

Der Dachverband Acbar, in dem knapp 100 afghanische und internationale Hilfsorganisationen vertreten sind, geht davon aus, dass in diesem Jahr mindestens 230 Zivilisten von internationalen oder afghanischen Truppen getötet wurden. Jedoch weisen Beobachter darauf hin, dass zum Teil mit den Totenzahlen auch von afghanischer Seite Politik gemacht werden könnte, um Präsident Hamid Karsai unter Druck zu setzen. Der ordnete am Sonntag eine Untersuchung an, Regierungsvertreter und Abgeordnete der Provinz Helmand würden in den Bezirk Gereschk entsandt, hieß es. In Gereschk waren erst vor einer Woche durch einen Luftangriff viele Zivilisten getötet worden.

Die Zentralregierung aus Kabul hat in der südlichen Provinz Helmand wenig Einfluss, in der vor allem erzkonservative Paschtunen leben, die Taliban dafür umso mehr. Nach Ansicht des internationalen Helfers aus Kabul treibt aber gerade das Vorgehen von OEF und Nato im Süden den Islamisten die Afghanen in die Arme. Die Truppen würden „die Kultur der Menschen nicht respektieren“, sagt er, „sie machen sich so breite Bevölkerungskreise zu Feinden.“ Womit er auch auf Widerspruch stoßen dürfte – so ist zum Beispiel die Bundeswehr ziemlich stolz auf ihr gutes Verhältnis zur einheimischen Bevölkerung im Norden.

Der Grüne Winfried Nachtwei, der erst vor Kurzem wieder von einer Afghanistanreise zurückgekommen ist, hält ein Überdenken der militärischen Strategie gegenüber den Taliban für notwendig. Es genüge nicht, nach solchen Unglücken immer wieder zu beteuern, man müsse mehr auf den Schutz von Zivilisten achten. Er sieht ein „strukturelles Problem“, und hält es für eine wichtige Überlegung, inwieweit die offensive militärische Auseinandersetzung mit den Taliban eigentlich zielführend ist.

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