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Das wirtschaftliche Herz des Irak: die Ölraffinerie in Baidschi.

© dpa

Update

Isis-Terror im Irak: Nach schweren Kämpfen kontrolliert Bagdad wieder größte Öl-Raffinerie

Iraks Regierung hat offenbar die Isis-Kämpfer zurückschlagen können. Nach den Angriffen der Dschihadisten auf die größte Ölraffinerie des Landes hatte Bagdad zuvor um "Luftschläge gegen die Terroristengruppen" gebeten.

Nach heftigen Kämpfen um die größte Ölraffinerie im Irak hat die Armee nach Regierungsangaben die vollständige Kontrolle über die Anlage bei Baidschi zurückerlangt. Das sagte der für Sicherheitsfragen zuständige Regierungssprecher, General Kassem Atta, am Donnerstag im Staatsfernsehen. Sunnitische Dschihadisten hatten den Komplex angegriffen und lieferten sich seit Tagen schwere Gefechte mit Regierungssoldaten.

Die Dschihadisten hatten ihre Offensive entsprechend ausgeweitet. Bagdad hatte deshalb die USA "offiziell" um Luftangriffe auf die Dschihadisten gebeten, wie Außenminister Hoschjar Sebari im saudiarabischen Dschiddah sagte.

In der mehrheitlich schiitischen Stadt Tal Afar auf dem Weg nach Syrien wurde weiter heftig gekämpft, wobei die Sicherheitskräfte einige Viertel zurückgewannen, wie ein Vertreter des Provinzrats sagte. In den "kommenden Stunden" solle die strategisch wichtige Stadt "vollständig befreit" werden, kündigte ein Sprecher der Sicherheitsbehörden an. In der nördlichen Provinz Kirkuk fiel dagegen das Gebiet Baschir an die Rebellen. Isis-Kämpfer hatten vergangene Woche in einer Blitzoffensive Mossul und die umliegende Provinz Ninive sowie Teile der angrenzenden Provinzen in ihre Gewalt gebracht.

Raffinerie deckt Hälfte des Inlandsverbrauchs an Öl

Baidschi ist für Bagdad strategisch von großer Bedeutung. Dort ist neben der wichtigen Raffinerie auch ein Elektrizitätswerk, von dem aus die Hauptstadt mit Strom versorgt wird. Baidschi ist mit einer Produktion von 310.000 Barrel (je 159 Liter) Öl pro Tag die größte von drei Raffinerien des Irak und deckt etwa die Hälfte des Inlandverbrauches. Ihre Schließung könnte zu Panikkäufen der Bevölkerung und langen Schlangen vor den Tankstellen führen – noch bevor das Öl tatsächlich knapp wird. Der Angriff zeigt: Eine Woche nach dem Vormarsch der sunnitischen Extremisten im Irak macht sich Isis daran, die Lebensadern des Landes zu kappen. Eine Übernahme der Anlage könnte für die Isis-Kämpfer bedeuten, dass ihre Versorgung mit Treibstoff vorläufig gesichert ist. Bagdad bat die USA "offiziell" um Luftangriffe auf die Dschihadisten, wie Außenminister Hoschjar Sebari im saudiarabischen Dschiddah sagte.

Angriff auf das wirtschaftliche Rückgrat des Landes

Mit den bewaffneten Auseinandersetzungen um diesen großen Komplex wird die Ölindustrie – das wirtschaftliche Rückgrat des Landes – in den Konflikt hineingezogen. 2011 stammten 95 Prozent der irakischen Staatseinnahmen aus dem Ölgeschäft. Die Internationale Energieagentur hat bereits gewarnt, der Umfang der Förderung des Rohstoffs könnte gefährdet sein. Dabei war erwartet worden, dass das Land in den kommenden Jahren seine Ölförderung massiv ausweitet.

Erst in den vergangenen vier, fünf Jahren ist es dem hinter Saudi-Arabien zweitgrößten Opec-Produzenten gelungen, die Ölförderung nach Jahrzehnten des Krieges und der Zerstörung wieder signifikant zu steigern. Heute steht die Tagesproduktion bei 3,45 Millionen Barrel. Aber immer wieder gibt es Anschläge auf die veraltete Infrastruktur, das Personal wird bedroht. Ausländische Firmen müssen deshalb zeitweise die Arbeit einstellen. Hinzu kommen Bürokratie und Korruption. Die Regierung in Bagdad ist auf die Einkünfte aus den Ölverkäufen angewiesen. 95 Prozent der Staatseinnahmen stammen aus dieser Branche.

Die wichtigsten Förderfelder und die bedeutendsten Verladehäfen liegen im bisher relativ ruhigen Süden. 90 Prozent der Exporte laufen über die Stadt Basra am Persischen Golf. Die Regierung Maliki hat deshalb nach den militärischen Erfolgen der Gotteskrieger im Norden Truppenverstärkung zu den Ölfeldern, Bohrstationen und Firmensitzen in den südlichen Provinzen des Landes geschickt. Die Sicherheitsmaßnahmen seien verdoppelt worden und alle Installationen hundertprozentig sicher, erklärte ein Sprecher. Insgesamt seien mehr als 100 000 Mann einer Spezialeinheit in ständiger Alarmbereitschaft.

USA behalten sich Militäraktion weiter vor

Der Vormarsch der Isis-Truppen bringt jetzt sogar politische Gegner an einen Tisch. Vertreter von Sunniten und Schiiten im Irak forderten nach einem Treffen in Bagdad dem Nachrichtenportal „Sumaria News“ zufolge das irakische Volk auf, zusammenzustehen. Sunniten und Schiiten müssen eine Einheit gegen die Terroristen bilden, hieß es. Irans Präsident Hassan Ruhani versicherte nochmals, sein Land werde alles zum Schutz der heiligen Stätten im Nachbarland tun. Der Iran warne „die Großmächte, ihre Lakaien, die Mörder und Terroristen“, dass das iranische Volk die Begräbnisstätten der schiitischen Imame in Kerbela, Nadschaf, Kadhimijah und Samarra unter allen Umständen verteidigen werde.

Bundeskanzlerin Angela Merkel sieht vor allem die Vereinigten Staaten in der Pflicht, den Vormarsch der Islamisten im Irak zu stoppen. „Natürlich haben die Amerikaner eine ganz besondere Verantwortung“, sagte die CDU-Politikerin am Mittwoch in Berlin. Diese werde von US-Präsident Barack Obama auch bereits wahrgenommen.

Die USA behalten sich weiterhin eine Militäraktion im Irak vor, um den Vormarsch der Sunnitenmiliz auf Bagdad zu stoppen. Als eine Option gelten Luftangriffe. Der Einsatz von US-Bodentruppen wird jedoch bislang kategorisch ausgeschlossen. (mit dpa)

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