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Die Angst vor wachsender Gewalt der Extremisten steigt.

© Mohamed Dahir/AFP

„Eine Strafe für die Ungläubigen“: Islamisten sehen Pandemie als Chance

Dschihadistische Milizen sehen die Pandemie als Strafe Gottes gegen den Westen. Terrorgruppen verstärken ihre Angriffe auf schwache Regierungen in Afrika.

Was Afrikas Regierungen als größte Bedrohung ihrer Staaten seit der Unabhängigkeit betrachten, sehen Afrikas islamistische Extremisten als eine von Allah gewährte einzigartige Chance.

Zahlreiche von al Kaida oder von der der Terrormiliz „Islamischer Staat“ betriebene Internet-Publikationen feiern die Corona-Pandemie als Strafe Gottes für den „dekadenten Westen“ und versprechen ihren Dschihadisten Immunität vor dem Virus oder widrigenfalls einen Platz als Märtyrer im Paradies.

Für den saudischen Dschihad-Prediger Scheik Saleh al Maghamsi ist die Pandemie der Vorbote des Jüngsten Gerichts. Mit dem zu erwartenden Kollaps afrikanischer Staaten könnten Dschihadisten bald die Herrschaft über weite Teile des Kontinents übernehmen.

Nach Auffassung des nigerianischen Sicherheitsanalysten Bulama Bukarti suchen islamistische Extremisten die Pandemie sowohl für gewalttätige Angriffe wie für die Rekrutierung neuer Mitglieder zu nutzen.

Sorge um die Sahel-Länder

Wo immer afrikanische Regierungen von den Herausforderungen überwältigt werden, könnten Islamisten das Chaos zur Bildung eigener „proto-staatlicher Strukturen“ nutzen, sagte das Mitglied des von Toni Blair gegründeten Londoner „Instituts for Global Change“.

Mit 15.000 Infizierten und knapp 800 Todesfällen steht Afrika noch am Anfang der Pandemie. Die Weltgesundheitsorganisation WHO warnt allerdings, dass sich der Erreger auch schon in ländlichen Gebieten ausbreite. Wegen des mangelhaften Gesundheitssystems seien dort „besonders schwere Härtefälle“ zu erwarten, sagte WHO-Generaldirektor Tedros Adhanom Ghebreyesus am Wochenende.

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Islamistische Extremisten operieren vor allem in abgelegenen Gebieten des Kontinents – wie in der Sahelzone, im Nordosten Nigerias, in Somalia sowie im Norden Mosambiks. Aus allen diesen Regionen wurden in den vergangenen zwei Wochen Terror-Angriffe gemeldet.

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Besonders besorgt schauen Beobachter der Extremistenszene auf die drei Sahel-Länder Mali, Burkina-Faso und den Niger, wo seit Jahren mehrere Terrorgruppen operieren. In Mali wurden kürzlich bei einem Angriff einer al Kaida nahestehenden Extremistengruppe auf eine Militärstation in Tarkint fast 30 Soldaten getötet. Tarkint liegt nur gut 100 Kilometer von der Provinzstadt Gao entfernt, wo derzeit beinahe 1000 Bundeswehrsoldaten stationiert sind.

Während aus Mali bislang lediglich 105 Corona-Fälle gemeldet werden, sieht es im Nachbarland Burkina Faso düsterer aus. Dort erkrankten bereits über 500 Menschen an Covid-19, unter anderem auch sechs Minister.

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Im Norden des destabilisierten Staates breiten sich derzeit mehrere Extremistengruppen aus, die inzwischen ganze Landstriche auch der benachbarten Staaten Mali und Niger beherrschen. Seit mehr als sechs Jahren suchen rund 4500 Soldaten der französischen Operation Barkhane die Umtriebe der Islamisten in der Sahel-Region zu stoppen – ohne Erfolg.

Trump will Drohnen-Flugplatz schließen

Befürchtungen lösen aber auch Bestrebungen der US-Regierung aus, ihr vor allem aus dem Personal eines Drohnen-Flughafens bestehendes Truppenkontingent aus der Region abzuziehen. US-Präsident Donald Trump wolle den Drohnenflugplatz schließen und die finanzielle Unterstützung der französischen Barkhane-Operation einstellen, heißt es in Washington.

Der Alptraum europäischer Regierungen ist es, dass in der Sahelzone ein von Extremistengruppen beherrschtes Territorium entstehen könnte, von dem aus auch Europa bedroht würde.

Vermehrte Angriffe wurden auch aus dem Norden Nigerias, Somalia und Mosambik gemeldet. Am Tschad-See brachten Mitglieder der Boko-Haram-Miliz fast hundert tschadische Soldaten um; in Somalia schlug al Schabab allein im vergangenen Monat 130 mal zu und tötete fast 500 Menschen; und in Mosambik nahmen angeblich mit dem Islamischen Staat alliierte Kämpfer kurzzeitig das Hafenstädtchen Mocimboa da Praia ein.

Johannes Dieterich

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