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Schon zwei Instanzen haben Berlusconi wegen Steuerbetrugs für schuldig befunden. Das Kassationsgericht könnte ihn an diesem Dienstag endgültig zu einer Haftstrafe verurteilen.

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Italien: Berlusconi droht endgültige Verurteilung

Italiens Kassationsgericht entscheidet am Dienstag in einem Steuerbetrugsverfahren über Ex-Regierungschef Silvio Berlusconi. Schon vor dem Urteil machen seine Partei-Gefolgsleute gegen „linke Richter“ mobil.

Was in der deutschen Zeitrechnung mit „v. Chr.“ und „n. Chr.“ abgekürzt wird, „vor“ und „nach Christus“ also, heißt auf Italienisch „a. C.“ beziehungsweise „d. C.“. Bisher jedenfalls. Nun hat der Politiker Maurizio Gasparri eine revolutionäre Lesart ins Gespräch gebracht: „vor“ und „nach der Cassazione“. Als einer der engsten Parteigänger des früheren italienischen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi ist Gasparri nämlich überzeugt davon, dass nach dem für diesen Dienstag erwarteten Urteil des Kassationsgerichtshofs „in Italien nichts mehr bleiben wird, wie es vorher war“.

Gasparri steht mit seiner Einschätzung nicht allein. Die Situation ist ja auch außergewöhnlich. Nachdem so viele Strafprozesse gegen Berlusconi versandet sind – zumeist wegen Verjährung, wegen zielgerichtet geänderter Gesetzeslage, aus Mangel an Beweisen –, droht dem 76-Jährigen nun die erste, endgültige Verurteilung. In bereits zwei Instanzen ist der „Cavaliere“ wegen Steuerbetrugs zu vier Jahren Haft verurteilt worden und zu einem fünfjährigen Ausschluss von allen öffentlichen Ämtern. An diesem Dienstag beraten die höchsten Richter in letzter Instanz, ob das rechtens war. Und es sieht nicht gut aus für Berlusconi. Denn bereits im Juni hat der Kassationsgerichtshof einen entscheidenden Einspruch der Verteidiger zurückgewiesen. Die Entscheidung, dass sich Berlusconi durch eine spontan und ohne Not einberufene Ministerratssitzung einem Gerichtstermin in widerrechtlicher Weise entzogen hatte, gilt seither als Vorzeichen für das Urteil, das nach insgesamt zwölfjährigem Untersuchungs- und Strafverfahren jetzt erwartet wird.

Vor Gericht steht streng genommen nicht der Politiker, sondern der private Fernsehunternehmer Berlusconi, doch seine in Nibelungentreue ergebenen Partei-Paladine bombardieren das Gericht, die Medien und die Öffentlichkeit seit Wochen unausgesetzt mit düstersten Phrasen, nach denen „linke, politisierte Richter“ in ihrem „Verfolgungswahn“ das ganze Land in Gefahr brächten. Eine Verurteilung Berlusconis würde ein „Attentat auf die Demokratie“ darstellen, tönt Daniela Santanchè, eine der kriegerischsten Amazonen des Parteichefs. Der Prozess habe gezeigt, dass „der Leader der größten Mitte-rechts-Partei keine Gerechtigkeit zu erwarten“ habe, sagt Santanchè: „Eine Verurteilung träfe auch die zehn Millionen Italiener, die ihn gewählt haben. Und die schauen sicherlich nicht schweigend zu.“ In Gefahr sei „die Freiheit aller Bürger“, behauptet Senatorin Anna Maria Bernini, und Staatssekretär Gianfranco Miccichè kündigt „Krieg“ an für den Fall einer Verurteilung. Ein anderer der Parteigetreuen, Osvaldo Napoli, sieht bereits jetzt das „Gleichgewicht“ zwischen den Instanzen des Rechtsstaats verletzt: „Die richterliche Gewalt schluckt die politische und schaltet den Konsens aus, den die Wähler zum Ausdruck gebracht haben, also das einzig gültige Messinstrument, um ein System eine Demokratie nennen zu können.“

Der Kassationsgerichtshof hat bei seiner Sitzung an diesem Dienstag im Prinzip drei Möglichkeiten: die Urteile der Vorinstanzen zu bestätigen, Berlusconi freizusprechen oder auf mangelnde verfahrensrechtliche Korrektheit des bisherigen Prozesses zu erkennen und somit die Sache an die unteren Instanzen zurückzuschicken.

Da mit einem Freispruch nicht einmal Berlusconis Verteidiger rechnen – auch wenn sie den höchsten Richtern 50 neue Einsprüche vorgelegt haben –, wäre dem Angeklagten die Zurückweisung an untere Instanzen die angenehmste Entscheidung: Dann nämlich setzt endgültig die Verjährung ein, auf die es Berlusconis Verteidiger abgesehen hatten. Berlusconi muss nur noch bis in den September kommen, dann hat er in diesem Fall die Richter vom Hals.

Aber selbst wenn er wieder zu einer Haftstrafe verurteilt würde – hinter Gitter muss Berlusconi auf keinen Fall. Italien erspart so etwas allen Missetätern, die älter als 70 Jahre sind. Drei Jahre bekommt er, wie alle Verurteilten infolge der chronischen Überfüllung der Strafanstalten, sowieso erlassen; den Rest müsste er im goldenen Hausarrest einer seiner Villen absitzen.

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