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© AFP

Italien: Den Dolch im Gewande

Wie zu Cäsars-Zeiten: Nicht seine Gegner – eigene Leute haben Italiens Premier Romano Prodi zu Fall gebracht. Vizepremier Francesco Rutelli sah im Senat gar "Leute mit Dolch herumlaufen".

Noch im Sitzungssaal des Senats haben sie die Champagnerflaschen geköpft und Mortadella-Scheiben durch die Luft geworfen. „Mortadella“, so lautet der Spitzname Romano Prodis, und der ist nun in Scheiben geschnitten, kleingehackt, fertiggemacht. „Senatoren“, brüllt Senatspräsident Franco Marini ins Getümmel, „wir sind hier nicht in der Kneipe!“

Draußen sammeln sich die Jungs von der rechtskonservativen Alleanza Nazionale zum nächtlichen Triumphzug durch Roms Stadtmitte. Knallkörper und Leuchtraketen, Konfetti, Autogehupe, Nationalhymne und Schlachtgesänge wie in der Stadionkurve, dazu Hetz-Transparente: „Schluss mit dem Müll! Weg mit Prodi!“

Zwanzig Monate, 618 Tage, hat die Regierung Prodi durchgehalten, bis sie an diesem Donnerstagabend nicht von ihren Gegnern, sondern von eigenen Leuten zu Fall gebracht wurde. „Im Senat habe ich Leute mit Dolch herumlaufen sehen“, sagt Vizepremier Francesco Rutelli, so, als befände man sich im Rom des Gaius Julius Cäsar, und als sei nicht Januar, sondern die Iden des März.

„Implodiert aufgrund inneren Streits“ sei die Regierung, höhnt Oppositionsführer Silvio Berlusconi, „genauso, wie ich es seit langem vorhersage. Wieder einmal habe ich Recht behalten.“ Klingt überzeugend, ist aber falsch. Dass Prodis Koalition zerbrechen würde, hat Berlusconi bisher nahezu im Zweiwochenrhythmus wiederholt – und nie ist etwas passiert. Im Gegenteil: Je penetranter Berlusconi Neuwahlen ausrief, umso eiserner wurde die Koalitionsdisziplin im Parlament. Dabei sah das so leicht aus: eine Koalition aus elf Parteien, neun davon in der Regierung, bunt zusammengewürfelt aus Opus-Dei-Leuten und Kommunisten, Liberaldemokraten, Grünen, Christ- und Sozialdemokraten, die hatte keinen inneren Zusammenhalt – nur eben die Abneigung gegen Berlusconi. Symptomatisch ist, was die Koalition nicht zuwege gebracht hat: Eine Zulassung nicht ehelicher Lebensgemeinschaften beispielsweise. Den geplatzten Auftritt Benedikts XVI. vor Studenten der römischen Universität nahm der zurückgetretene Justizminister Clemente Mastella zum Vorwand, der eigenen Regierung das Misstrauen auszusprechen: „Es ist keine Freiheit mehr in einem Land, wo der Papst nicht reden darf, wo die Frau eines amtierenden Justizministers verhaftet wird.“ Die Aktion eines fast 70-Jährigen, über den Ablauf seiner Amtszeit offenbar wütenden Staatsanwalts, hatte die Regierungskrise vor zehn Tagen ins Rollen gebracht. Aber dass Mastella seinen Zorn nicht an diesem Juristen ausließ, sondern gleich die Regierung zu Fall brachte, zeigte nur, dass er sich längst eine Gelegenheit zum Absprung gesucht hatte – genauso wie einige „Liberaldemokraten“ in der Koalition, denen der „kommunistische Einfluss“ unter Prodi zu weit gegangen war. Der eigentliche Sprengsatz aber versteckte sich in einem Projekt, für das Prodi sich seit mehr als zehn Jahren verkämpft hat und das erst vor wenigen Wochen Wirklichkeit geworden ist: die Vereinigung der beiden bestimmenden Parteien im Mitte-Links-Lager. Mit einem „Olivenbaum“-Bündnis war Prodi schon mehrfach angetreten, nun aber sind die „Demokratischen Sozialisten“ und die zentristische „Margerite“ zu einer einheitlichen „Demokratischen Partei“ verschmolzen.

Deren per Urwahl triumphal gekrönter Chef Walter Veltroni verletzte auch gleich ein ehernes Tabu der Linken: Er verhandelte mit dem Erzfeind, mit Silvio Berlusconi. Es ging um die am Widerstand der zahlreichen Kleinparteien immer wieder gescheiterte Reform des Wahlrechts - und ein 1,4-Prozent-Parteichef wie Clemente Mastella hatte allen Grund, um seine politische Zukunft zu fürchten. Dann schon lieber eine wackelige Koalition zu Fall bringen – und hoffen, beim sicheren Neuwahlsieger Berlusconi mit Wohlgefallen aufgenommen zu werden.

Dabei wollte – außer Berlusconi – niemand Neuwahlen. Die rechten Parteien nicht; Prodis Koalition als Ganze nicht; selbst die Wirtschaft, die Industrie verwahrte sich gegen ein Ende der Regierung, gegen eine lange Zeit lähmenden Wahlkampfs. Nun ist da nichts mehr. Nun steht, irgendwann vor den Sommerferien, Berlusconi wieder vor der Tür. Seine Machtfülle ist ungebrochen: Prodis Koalition hat es nicht geschafft, sich auf eine Reform des Fernsehgesetzes zu einigen, die dem Medienherrscher Berlusconi einmal wirksame Kartellschranken angelegt und einen Teil seines Imperiums weggenommen hätte. Vor allem hat die Koalition eines ihrer vorrangigen Wahlkampfziele nicht erreicht: Sie hat keine Regeln zum Interessenkonflikt für Unternehmer erlassen, die politisch tätig werden. Das heißt: Berlusconi behält in Fernsehen und Regierung eine Monopolstellung.

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